JULIA FESTIVAL EXTRA Band 04
die nötige Distanz verschaffen, Hannah O’Neill rein geschäftsmäßig zu betrachten. Falls das überhaupt möglich war.
„Ja, natürlich!“ Sie ließ seine Hand los. „Ich muss ja auch wissen, wann ich anfangen soll und …“
„Alles zu seiner Zeit.“ Antonio bedeutete ihr, auf der gegenüberliegenden Seite des Tisches Platz zu nehmen.
Hannah hüpfte fast zu ihrem Stuhl, ein Bild überschäumender Freude. Antonio musste den Blick gewaltsam von ihr losreißen und sich geradezu zwingen, seinen Verstand beieinander zu halten.
Vorwurfsvoll sah er seine Großmutter an. Ihre zufriedene Miene ärgerte ihn. Sie hätte sich mehr Zeit für diese Entscheidung nehmen und sich erst mit ihm beraten sollen, bevor sie den Job an Hannah vergab. Dieses versonnene Lächeln auf ihrem Gesicht … Hatte sie sich vielleicht zu einer impulsiven Entscheidung verleiten lassen? Seine sonst so zielstrebige und unbestechliche Großmutter?
„Ah, da kommt Rosita mit dem Nachmittagstee!“, verkündigte sie jetzt zufrieden, offensichtlich gewillt, dieses Treffen in geselliger Runde ausklingen zu lassen.
Antonio gab es auf. Hannah O’Neill hatte es irgendwie geschafft, sich in das Herz seiner Großmutter zu schleichen, und erhielt soeben den höchsten Beweis für das Wohlwollen der alten Dame: die Einladung, Isabella Valeri-King bei ihrem Nachmittagstee auf der Loggia Gesellschaft zu leisten. Er musste gute Miene zum bösen Spiel machen, ob es ihm gefiel oder nicht.
Seine Großmutter übernahm nun die Rolle der Gastgeberin, unterstützt von Rosita, die sogar die berühmte hausgemachte Karottentorte mit Frischkäsecreme und Walnüssen servierte – ein untrügliches Zeichen, dass der Gast hohes Ansehen genoss. Spätestens da war sich Antonio bewusst, dass er sehr vorsichtig taktieren musste.
Resigniert nahm er den Ordner mit Hannahs Bewerbungsunterlagen zur Hand und konzentrierte sich auf das Geschäftliche. Jeder Gedanke an Vergnügen war jetzt tabu. Mochte die Versuchung auch noch so groß sein, es war verrückt, mit einer Angestellten ein Verhältnis anzufangen. Er musste Hannah O’Neill auf Distanz halten. Obwohl nicht einmal der große Tisch für genügend Abstand zu sorgen schien.
„Wie ich sehe, hat mein Büro die Antwort auf Ihre Bewerbung an ‚Mason’s Shop‘ am Cape Tribulation geschickt“, begann er geschäftsmäßig. Doch als er aufblickte, ertappte er Hannah gerade dabei, wie sie sich mit der Zungenspitze Creme von den Lippen leckte, und wurde von heftigem Verlangen durchzuckt.
„Ich habe den Laden als vorübergehende Postanschrift benutzt“, erklärte Hannah unbefangen, „weil ich mehrere Wochen lang den Daintree Forest erkundet habe. Was für ein beeindruckender Regenwald! Mittendrin fühlt man sich in die Urzeit zurückversetzt, als …“
„Schon gut“, unterbrach Antonio sie etwas schroff, weil der melodische Klang ihrer Stimme ihn entschieden nervös machte. „Wo wohnen Sie in Port Douglas?“
Sie atmete tief ein, wobei sich ihre hohen, straffen Brüste verführerisch hoben. „Ehrlich gesagt, habe ich noch keine Unterkunft gefunden. Ich bin erst heute vom Cape Tribulation hier angekommen. Aber bis zum Abend werde ich mir etwas gesucht haben. In Port Douglas gibt es ja genug Unterkunftsmöglichkeiten.“
Antonio gewann zunehmend den Eindruck, dass Hannah recht unbedarft in den Tag hinein lebte. Sie war nicht wirklich darauf vorbereitet, diese Stelle anzutreten. „Touristenquartiere“, gab er deshalb vielsagend zu bedenken. „Wenn Sie vorhaben, die ganze Saison zu bleiben …“
„Selbstverständlich“, versicherte sie ihm rasch. „Ich werde mir etwas Angemessenes suchen.“
„Wo haben Sie Ihr Gepäck?“
„In einem Schließfach im Yachthafen.“ Hannah beugte sich vor und lächelte verständnisheischend. „Wissen Sie, meine weiteren Pläne hingen davon ab, ob ich diesen Job bekommen würde oder nicht, deshalb …“
In den Tag hinein, dachte Antonio streng, während er dagegen ankämpfte, sich nicht in diesen faszinierenden grünen Augen zu verlieren.
„Sie werden eine Wohnung mit einer gut ausgestatteten Küche brauchen“, warf Isabella Valeri-King nun entschieden ein. „Antonio, ich denke, es ist das Beste, Miss O’Neill zunächst einmal in einer von Alessandros Gästewohnungen im ‚Coral King‘-Apartmenthaus unterzubringen, bis sie hier Fuß gefasst hat.“
„In einer Gästewohnung?“ Er sah seine Großmutter an, als wäre sie verrückt geworden. Hannah O’Neill
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