JULIA FESTIVAL EXTRA Band 06
auch sehr tolerant. Normalerweise bist du die Erste, die Verständnis und Mitgefühl aufbringt und Fehler verzeiht.“
Was konnte sie darauf antworten? Sie wollte Jon nicht daran erinnern, dass David kurz davor gewesen war, ihre Ehe zu ruinieren und ihre Liebe zu zerstören. Nicht ein Mal, sondern zwei Male. Als er fortging, war es, als hätte sich eine dunkle Wolke über ihnen verzogen.
„Ich kann nicht glauben, wie leicht es mir fiel, mit ihm zu reden. Wie nahe ich mich ihm gefühlt habe“, erzählte Jon glücklich.
Jenny biss sich auf die Zunge, um nicht protestierend aufzuschreien. Ihr war, als hätte David sich wieder zwischen ihren Mann und sie gedrängt, als wäre er Jon wichtiger als sie.
„Natürlich werde ich Olivia berichten müssen, was passiert ist“, sagte er.
„Es wird ihr nicht gefallen“, warnte sie.
„Nein, zuerst nicht“, pflichtete Jon ihr bei. „Aber ich bin sicher, sie wird ihre Meinung ändern, wenn sie David gesehen und mit ihm gesprochen hat.“
David … David … David. Schon jetzt war Jenny es leid, den Namen zu hören. Warum hatte er bloß zurückkommen müssen?
8. KAPITEL
„Jack … Jack …“
Mit gerunzelter Stirn drehte Jack sich zu Annalise um. „Es tut mir leid“, sagte er. „Was hast du gerade gesagt?“
Er war zum vereinbarten Zeitpunkt eingetroffen. Aber anstatt Süßholz zu raspeln und einmal mehr zu versuchen, sie ins Bett zu bekommen, wirkte er in Gedanken verloren. Als wäre er mit seiner Aufmerksamkeit ganz woanders. Bei einem anderen Mädchen? Eifersucht keimte ihn Annalise auf.
„Was hast du? Was ist los?“, fragte sie.
„Mein Vater ist zurückgekehrt“, erwiderte er nur.
„Dein Vater?“ Erstaunt starrte Annalise Jack an. Wie jeder in Haslewich, so wusste auch sie, dass David Crighton seinerzeit ohne jede Vorankündigung oder Erklärung spurlos verschwunden war.
„Ja, ich habe ihn gestern Abend gesehen. Er hat meinen Onkel Jon angerufen, und dann kam er einfach vorbei, und … na, komm schon. Ich soll dir Nachhilfe geben, nicht über meinen Vater reden.“
„Nein, Jack, erzähl mir mehr darüber“, bat Annalise. Sie hatte sich oft gefragt, wie sie reagieren würde, wenn ihre Mutter plötzlich wiederkäme. Nicht, dass sie verschwunden war. Jedenfalls nicht so spurlos, wie Jacks Vater es gewesen war. Sie war einfach nur ausgezogen, um mit einem anderen Mann zusammenzuleben.
„Nein. Ich bin hier, um dir zu helfen, schon vergessen?“, entgegnete Jack mit gespielter Strenge.
Eine Stunde später schüttelte Annalise entmutigt den Kopf. „Es hat keinen Sinn, Jack. Ich werde immer schlechter, nicht besser.“
„Du setzt dich einfach zu sehr unter Druck“, tröstete Jack sie. „Du schaffst es schon noch. Du brauchst nur noch etwas Zeit und ein paar Nachhilfestunden.“ Er zögerte. „Ich muss nächste Woche los. Die Uni fängt an. Aber Weihnachten bin ich wieder zu Hause, dann habe ich mehr Zeit für dich.“
„Du brauchst mir nicht zu helfen“, protestierte Annalise.
„Nein, das brauche ich nicht, aber ich möchte es.“
„Warum?“, fragte sie herausfordernd.
„Was glaubst du wohl?“, gab er heiser zurück.
Er starrte auf ihre Lippen, sonst nichts. Als Annalise das merkte, schlug ihr Herz plötzlich wie wild.
„Ich werde nicht mit dir ins Bett gehen“, erklärte sie rasch und atemlos. „Und …“
„Nein, das wirst du nicht“, unterbrach Jack sie ruhig und ernst. „Erstens bist du noch nicht so weit, und zweitens …“
Annalise hob den Blick und sah ihm in die Augen. Dass er nicht verärgert war, überraschte sie. Verständnis war das Letzte, was sie von ihm erwartet hatte.
„Du willst gar nicht mit mir schlafen“, entfuhr es ihr, bevor sie sich zügeln konnte. „Aber …“
„Ich habe nicht gesagt, dass ich nicht will“, verbesserte Jack sie grimmig. „Ich habe nur gesagt, dass wir es nicht tun werden. Jedenfalls noch nicht.“
„Noch nicht …“ Annalise hatte nicht geglaubt, dass ihr Herz noch schneller schlagen konnte, aber offenbar war das möglich.
„Nein, noch nicht“, wiederholte Jack mit entschlossener Miene. „Wirst du mir schreiben, Annalise?“, bat er fast beschwörend.
Ihm schreiben … Verwirrt musterte sie sein Gesicht. Konnte es sein, dass er sich nur über sie lustig machen wollte?
„Es dauert nicht mehr lange, dann sind Weihnachtsferien, und dann …“
„Willst du mich nicht küssen?“, fragte sie mit leiser und zittriger Stimme.
„Ich glaube, wenn ich das tue, werde
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