JULIA FESTIVAL EXTRA WEIHNACHTSBAND Band 03
kleinste Sorge.
„Nun, er muss ein außergewöhnlicher Mensch sein, oder Sie müssen etwas ganz Besonderes sein“, meinte der Fremde einschmeichelnd, „wenn er sich in einer solchen Nacht aus dem Haus traut. Andererseits würde selbst einer wie ich wahrscheinlich dasselbe für jemanden tun, der so aussieht wie Sie.“
„Wagen Sie es nicht, mir auch nur einen Schritt näher zu kommen“, drohte sie.
Er drehte sich um und blickte sie unverwandt an.
Selina schluckte, als sie seinen Gesichtsausdruck bemerkte, und sprang hastig auf. „Hören Sie zu, Mr. …“
„Howe.“
„Mr. Howe. Falls Sie auch nur eine unpassende Bewegung machen, werde ich …“
Was würde sie? Wenn dies sein Haus war, wusste er auch, wie abgeschieden es lag. Der unruhige Schein des Kaminfeuers tanzte auf seinem Gesicht und ließ ihn gefährlich aussehen.
Argwöhnisch fuhr sie sich mit der Zunge über die trockenen Lippen und wünschte im gleichen Moment, es nicht getan zu haben, denn er verfolgte jede ihrer Bewegungen.
Mit einem zynischen Lächeln, das so gar nicht zu ihrem hübschen Gesicht passte, fügte sie mutig hinzu: „Sollten Sie mich nur mit dem kleinen Finger berühren, Mr. Howe, oder den Eindruck erwecken, Sie hätten das vor, würden Sie es Ihr Leben lang bereuen!“
„Oh, eine Kämpfernatur“, erwiderte er amüsiert. „Sie können sicher sein, Miss Martin, dass ich nicht vorhabe, Sie anzufassen, so hübsch Sie auch sind, es sei denn, um Sie persönlich vor die Tür zu setzen. Wollen Sie nicht lieber anfangen, Ihre Sachen zu packen?“
„Selina?“, rief Robbie aufgeregt von der Treppe herunter. „Ist er das?“ Erschrocken fuhr sie zusammen. Sie hatte völlig vergessen, dass Robbie oben wartete. „Nein“, brachte sie mühsam hervor, „nein.“
Sie drehte sich um und wollte ihm entgegenlaufen in der Hoffnung, Robbie zu erwischen, bevor er hereinkam. Selbst einem Kind konnte die gespannte Atmosphäre in dem kleinen Wohnzimmer nicht entgehen. Aber es war zu spät.
Energisch, wie es seine Art war, stürmte er freudig lachend durch die Tür und prallte fast mit Selina zusammen, die auf dem Weg nach draußen war. Er schlängelte sich an ihr vorbei und betrachtete neugierig den hochgewachsenen vor dem Kaminfeuer stehenden Mann.
Tun Sie es nicht, bat Selina insgeheim. Stoßen Sie ihn nicht vor den Kopf, er denkt, Sie sind mein Freund. Und das war sicher der größte Witz aller Zeiten. Dieser Mann würde niemals ihr Freund sein. Er sah nicht so aus, als hätte er auch nur einen einzigen guten Bekannten.
„Hallo“, sagte Robbie schüchtern.
Selina legte die Hände schützend um seine Schultern. Daraufhin sah sie voller Abneigung zu dem Mann hinüber, der hier rücksichtslos eingedrungen war, um ihrer beider Leben zu ruinieren. Stumm flehte sie ihn an, Robbie nicht über die neue Situation aufzuklären. Täuschte sie sich, oder war Mr. Howes Miene tatsächlich freundlicher geworden? Sie glaubte, eine Spur von Wärme in den kalt blickenden Augen zu entdecken. Ein dunkler Ring um die Iris fiel Selina plötzlich auf, und sie musste unwillkürlich an die Augen eines Raubtiers denken.
„Das ist Mr. Howe, Robbie“, sagte sie so ruhig wie möglich.
„Nicht Paul?“, fragte Robbie verwirrt.
„Nein, Paul wird wohl nicht mehr kommen. Es ist Zeit fürs Bett. Sag Mr. Howe gute Nacht.“
„Gute Nacht“, wiederholte Robbie höflich und griff schnell nach Selinas Hand. „Gehst du mit und deckst mich zu?“
Sie nickte und warf einen kurzen Blick auf Mr. Howe. „Ich bin sofort zurück“, sagte sie und verließ mit Robbie das Zimmer.
„Mag er mich nicht, Selina?“, fragte Robbie besorgt, als sie die Treppe hinaufgingen.
„Was? Oh doch, natürlich, mein Schatz“, beruhigte sie ihn abwesend. „Er ist wahrscheinlich müde, vielleicht hat er eine lange Fahrt hinter sich.“ Selina lächelte verkrampft und versuchte, entspannt zu wirken. Sie deckte Robbie zu und gab ihm einen Gutenachtkuss.
„Lass die Tür offen, Selina.“
„Ja, sicher“, versprach sie wie jeden Abend.
Bevor sie wieder nach unten ins Wohnzimmer ging, atmete sie noch einmal tief durch. Sie wünschte von ganzem Herzen, diesem Mann nicht gegenübertreten zu müssen.
„Sie sollten ihn nicht so verhätscheln“, meinte Mr. Howe ungerührt zu Selina und schaute dabei zum Fenster hinaus, um die Schneelandschaft zu betrachten. „Er ist alt genug, allein ins Bett zu gehen.“
„Unter normalen Umständen würde ich Ihnen zustimmen“, erwiderte
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