JULIA FESTIVAL EXTRA WEIHNACHTSBAND Band 03
Rolle hat er gespielt?“, fragte Steven listig. „Versuchen Sie jetzt nicht zu leugnen. Es besteht kein Zweifel, dass er oder ein anderer Sie verlassen hat.“
„Er hat mich nicht verlassen. Wenn überhaupt, dann war es umgekehrt.“
„Sie mussten sich entscheiden zwischen ihm und Robbie?“, kombinierte Steven, und Selina war darüber nicht besonders glücklich.
„Stimmt genau.“ Sie seufzte. „Wir waren erst kurz verlobt, als Julie ins Krankenhaus musste und ich hierherkam, um mich um Robbie zu kümmern. Paul war nicht sehr begeistert.“
„Das kann ich mir vorstellen. Er hat wahrscheinlich in London gearbeitet?“
„Ja. Meistens besuchte er mich an den Wochenenden, oder ich bin zu ihm gefahren.“
„Gab es sonst niemanden, den Julie hätte bitten können, nach Robbie zu sehen?“
„Nein, sie hatte niemanden“, gab Selina zu. „Und niemand kannte Robbie so gut wie ich.“
„Und sicher war auch keiner bereit, seinen Job aufzugeben und hierherzuziehen.“
„Julie war meine Freundin. Sie hätte dasselbe für mich getan.“ Selina kämpfte mit den Tränen, die ihr immer noch allzu leicht in die Augen traten, wenn sie an ihre verstorbene Freundin dachte.
Selina schluckte heftig und fuhr fort: „Ich war fest davon überzeugt, Julie würde sich wieder erholen. Mir ist nie in den Sinn gekommen, dass sie sterben könnte. Als die Behandlung aber erfolglos blieb und Julie mich bat, mich um Robbie zu kümmern, wie hätte ich da Nein sagen können?“
Selina schwieg kurz, ehe sie fortfuhr: „Ich habe so lange damit gewartet, Paul alles zu erzählen, bis es nicht mehr anders ging. Zuerst war er sprachlos und wollte mir nicht glauben, dann wurde er wütend. Er weigerte sich, unsere Ehe mit einem fremden Kind zu beginnen, und ich konnte ihm deswegen kaum einen Vorwurf machen.“
„Paul hat dann vorgeschlagen, Robbie in ein Heim zu geben?“
„Ja.“
„Aber das kam für Sie nicht in Frage?“
„Selbstverständlich habe ich mir Gedanken darüber gemacht“, antwortete Selina und sah Steven verzweifelt an, „schließlich bin ich ja auch nur ein Mensch und egoistisch wie jeder. Ich habe mich sogar erkundigt, aber ich brachte es nicht übers Herz, Robbie wegzugeben. Wahrscheinlich wäre ich meines Lebens nicht mehr froh geworden, wenn ich mein Versprechen Julie gegenüber gebrochen und nur an mich selbst gedacht hätte. Robbie ist außerdem keine Belastung für mich“, fügte Selina hastig hinzu, bevor Steven widersprechen konnte. „Ich liebe ihn sehr!“
„Aber manchmal“, wandte er verständnisvoll ein, „besonders abends, wenn Robbie im Bett liegt und Sie allein sind, fragen Sie sich, wie Sie die nächsten zehn Jahre überstehen sollen, einsam und ohne Liebe.“
„Ja“, flüsterte sie, „manchmal.“ Trotzig sah sie Steven an und fuhr fort: „Wenn wir wieder in London sind, ist alles nur noch halb so schlimm.“
„Sind Sie wirklich davon überzeugt, Selina?“
„Selbstverständlich“, beharrte sie, denn nicht daran zu glauben bedeutete, sich selbst aufzugeben, und dieser Gedanke war ihr unerträglich. „Es wäre sicher einfacher, wenn wir mitten im Dorf wohnen und unter Leute kommen würden. Ab und zu fühle ich mich schon ein wenig einsam“, gab sie zu. „Aber es wird alles gut werden. Bestimmt!“, sagte sie mit Nachdruck und versuchte, dabei zu lächeln. „Wir warten mit dem Schmücken, bis Robbie da ist, ja? Er würde sicher gern helfen.“
„Natürlich. Also, warum wollte Paul gestern kommen? Hatte er vor, Sie umzustimmen?“
„Meine Güte?“, rief Selina wütend. „Sie geben wohl niemals auf! Ich habe nicht die geringste Ahnung, weshalb Paul mich besuchen wollte. Er hat mir letzte Woche geschrieben, und ich habe ihn gestern vom Dorf aus angerufen. Er sagte, er komme vorbei, um mit mir zu reden. Das ist alles. Zufrieden?“
„Nein. Wusste Julie Bescheid über Ihre Trennung von Paul?“
„Nein. Wie sollte sie?“
„Also deshalb haben Sie gesagt, Julie habe damit gerechnet, dass bei meiner Rückkehr niemand mehr hier sei.“
„Ja, sie ist wohl davon ausgegangen, dass ich Paul heirate und wir uns niemals begegnen würden. Aber wie sie sich die Sache mit dem Haus vorgestellt hat, bleibt mir ein Rätsel. Warum gab sie nicht zu, dass es nur gemietet war und mir gar nicht gehören konnte? Warum hat sie bloß nicht die Wahrheit gesagt?“, fragte Selina leise.
„Wer weiß? Vielleicht wollte Julie Ihr Leben nicht noch schwieriger machen, als es ohnehin schon war.
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