JULIA FESTIVAL EXTRA WEIHNACHTSBAND Band 03
Sie scheint jedoch die Möglichkeit nicht ausgeschlossen zu haben, dass wir uns begegnen könnten. Sonst wäre sie wohl kaum auf die Idee gekommen, Ihnen zu verbieten, mir von Robbie zu erzählen.“
„Aber warum hat Julie Ihren Namen überhaupt erwähnt? Es wäre mir doch gar nicht möglich gewesen, Ihnen etwas zu sagen, wenn sie ihn für sich behalten hätte!“
„Vielleicht hat sie auch nur einen Umweg gewählt, um sicherzustellen, dass ich alles erfahre.“ Steven seufzte. „Wer weiß schon, was im Kopf einer Frau vorgeht? Ich mache uns jetzt Tee“, fügte er matt hinzu und ging in die Küche.
Warum wollte Steven so genau über ihre Beziehung zu Paul Bescheid wissen? Und über ihre Arbeit? Es schien fast, als ob er nach Gründen suchte, die sie, Selina, veranlassen könnten, sich von Robbie zu trennen. Vielleicht war er ja auch einfach nur neugierig. Auf jeden Fall musste sie so bald wie möglich Paul anrufen, um ihm von Steven zu erzählen. Aber weshalb eigentlich? fragte eine innere Stimme. Warum musst du Paul von Steven erzählen?
Selina blickte gedankenverloren vor sich hin. Sie hätte inzwischen längst Pauls Frau sein und mit ihm zusammen in einem Reihenhaus am Rand von London leben können. Und ohne dass Selina sich dessen bewusst wurde, lächelte sie traurig, während sie mechanisch eine zerdrückte Girlande durch die Finger gleiten ließ. Sie würde ihren eigenen Christbaum schmücken, über das Weihnachtsessen nachdenken …
Das hört sich nicht sehr aufregend an, dachte Selina. Aufregend? Und wie von selbst schob sich in ihrer Fantasie Stevens Gesicht über das von Paul. Ein Leben mit Steven würde aufregend sein … Erschrocken darüber, wohin ihre Gedanken sie führten, legte sie hastig die Girlande zurück in die Schachtel und schloss den Deckel, als ob sie damit auch ihre Gedanken einsperren könnte.
Glücklich und leicht überdreht kam Robbie vom Spielen mit seinem Freund Peter zurück. Kurz darauf schmückten sie zusammen den Baum. Selina gab sich größte Mühe, fröhlich zu wirken. Nach dem Abendessen gingen alle drei ins Wohnzimmer. Die Vorhänge waren zugezogen, die bunten Kerzen am Baum leuchteten, das Feuer im Kamin verbreitete eine behagliche Wärme. Steven machte es sich im Sessel bequem und las in einem Buch, Robbie legte sich auf den Boden und malte, und Selina strickte an einem Schal. Sehr gemütlich, dachte sie und lächelte bitter. Trautes Heim, Glück allein.
„Selina?“, fragte Robbie leise, das Kinn in die Hände gestützt.
„Ja?“
„Ist Mom jetzt ein Engel?“
„Ein Engel?“, wiederholte Selina und war einen Augenblick lang sprachlos. Doch im nächsten Moment huschte ein warmes Lächeln über ihr Gesicht, als sie an Julie dachte. „Ja, mein Schatz“, beruhigte sie Robbie, „ich denke schon. Warum?“
„Ist sie hart?“
„Hart?“
„Ja. Peters Großmutter ist ein Engel“, erklärte Robbie, den Blick der dunklen Augen gebannt auf Selina gerichtet, „und Peter hat gesagt, sie ist hart. Er hat gesagt, alle Toten sind hart, und ich will wissen, ob Mom auch hart ist.“
Hilfe suchend sah Selina zu Steven hinüber, der aber ebenfalls völlig ratlos dreinblickte. Sie wandte sich wieder Robbie zu: „Wie kommt Peter darauf, dass seine Großmutter hart ist?“, fragte sie, um Zeit zu gewinnen, und hoffte auf eine Eingebung.
„Er hat sie auf dem Friedhof gesehen. Sie war ein Engel, und sie war hart“, entgegnete Robbie ungeduldig und drehte sich um zu Steven, der Mühe hatte, das Lachen zu unterdrücken.
Selina atmete erleichtert auf, als sie begriff, was Robbie meinte. „Der Engel, den Peter gesehen hat“, erklärte sie und lächelte liebevoll, „war nicht direkt seine Großmutter, sondern eine Art Steinbild.“ Sie suchte nach Worten, die der Junge verstehen konnte, und fuhr fort: „Seine richtige Großmutter ist ein Engel im Himmel, und echte Engel kann man nicht sehen.“
„Oh“, meinte Robbie nachdenklich. Und gerade als Selina dabei war, sich zu gratulieren, weil sie die Situation so geschickt gemeistert hatte, fragte er: „Selina?“
„Ja, mein Liebling?“
„Wollte Mom kein Steinbild auf ihrem Grab?“
„Nein“, antwortete Selina matt und legte sich schnell eine Erklärung dafür zurecht. „Deine Mom wollte, dass du sie so in Erinnerung behältst, wie sie war.“
„Ah“, Robbie machte ein bekümmertes Gesicht. „Wollte sie keine Blumen, Selina? Peter bringt seiner Großmutter Blumen“, erzählte er bedrückt.
„Oh
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