JULIA FESTIVAL EXTRA WEIHNACHTSBAND Band 03
Robbie!“, rief Selina verzweifelt. Sie kniete sich neben ihn und nahm ihn in die Arme. „Natürlich möchte sie Blumen, ich habe nie geglaubt … Sobald der Schnee schmilzt, kaufen wir einen großen Blumenstrauß und bringen ihn zu ihrem Grab.“
„Das wird Mom gefallen, Selina, oder?“
„Ja, mein Schatz.“
Er kuschelte sich an Selina und flüsterte: „Wollte Jesus sie unbedingt bei sich haben? Peter sagt, seine Großmutter ist gestorben, weil Jesus sie bei sich haben wollte.“
Selina drückte ihr Gesicht in Robbies Haar und schloss fest die Augen, um die Tränen zurückzuhalten. „Ja, ich denke, das ist der Grund.“
„Aber dich will er nicht bei sich haben, Selina, oder?“, fragte er.
Selina konnte nur den Kopf schütteln und Robbie noch fester an sich drücken. „Nein“, brachte sie mit erstickter Stimme hervor.
„Versprichst du mir das?“
„Ja, ich verspreche es.“
„Okay.“ Robbie wand sich aus Selinas Armen und sah sie mit einem herzerweichenden Lächeln an. Für ihn war die Welt wieder in Ordnung. „Soll ich jetzt ins Bett gehen?“
Selina nickte. „Ich komme gleich nach und decke dich zu. Und vergiss nicht, die Zähne zu putzen.“
„Nein. Gute Nacht, Selina. Gute Nacht, Steven.“
5. KAPITEL
Nachdem Robbie gegangen war, sichtlich froh über Selinas Versprechen, das einzuhalten nicht in ihrer Macht lag, kniete sie regungslos auf dem Boden. Sie hatte die Hände an die Brust gepresst, als könnte sie dadurch den Schmerz erträglicher machen.
„Ich dachte immer“, flüsterte sie unter Tränen, „ein Besuch an Julies Grab würde ihn zu sehr mitnehmen. Nie habe ich geglaubt … Es ist so unfair! Sie war erst fünfundzwanzig. Einer der liebenswertesten Menschen, die ich gekannt habe. Warum musste sie sterben?“
„Ich weiß es nicht, Selina“, antwortete Steven leise, während er sie hochzog und tröstend in die Arme nahm. „Was immer im Leben geschieht, man muss versuchen, so gut es geht damit fertig zu werden – mehr kann man nicht tun. Es bestand durchaus die Möglichkeit, dass Robbie einen Besuch an Julies Grab nicht verkraftet hätte, und dann hätten Sie sich nie verziehen, wenn Sie mit ihm hingegangen wären. Machen Sie sich keine Vorwürfe für etwas, was Sie nicht voraussehen konnten. Sie müssen jetzt nur aufpassen, dass Ihnen nichts zustößt“, fügte Steven hinzu, offensichtlich bemüht, Selina aufzuheitern. Es gelang ihm jedoch nicht, seine Besorgnis zu verbergen.
Sie hob den Kopf und suchte nach einem Taschentuch. „Ich hätte ihm dieses Versprechen nicht geben dürfen, oder?“
„Was blieb Ihnen denn anderes übrig? Und ich war ja auch keine große Hilfe. Sie haben meiner Meinung nach genau das Richtige getan“, bestätigte er. Seine Stimme klang müde und ausdruckslos.
Forschend sah Selina ihn an, und plötzlich wurde ihr bewusst, dass sie bisher kaum über Stevens Gefühle nachgedacht hatte, jedenfalls nicht ernsthaft. „Es tut mir leid, Steven. Das Ganze ist auch für Sie sicher nicht einfach.“
„Nein. Es kommt mir alles ganz unwirklich vor, als wäre Robbie nicht mein Sohn, ach, es ist töricht, so etwas zu sagen. Und Unrecht. Ich schaue ihn an und denke, er ist mein Sohn. So empfinde ich jedoch nicht für ihn. Er ist lediglich ein lieber kleiner Junge. Das ist alles. Außerdem sieht er mir überhaupt nicht ähnlich.“
„Nein.“
Steven ließ Selina los und ging zum Fenster. Er zog den Vorhang zur Seite und blickte nachdenklich hinaus. „Im Grunde genommen wissen wir nicht einmal sicher, ob er mein Sohn ist. Ich meine, es gibt keinen endgültigen Beweis. Nur Julies letzte Worte und die zeitliche Übereinstimmung. Und es ist nicht ausgeschlossen, dass da noch jemand anders war.“
„Aber das kann ich mir nur schwer vorstellen“, wandte Selina ein, den Blick auf Stevens Rücken gerichtet. „Wie gesagt, Julie wohnte bei mir, und soweit ich weiß, ist sie immer nur im Park spazieren gegangen oder hat in der Wohnung herumgesessen.“
Selina dachte zurück an jenen Tag vor fast sechs Jahren. Vielleicht würde ihr irgendetwas einfallen, was auf einen anderen Mann hindeuten könnte. Aber alles, woran sie sich erinnerte, war, dass Julie sich am Telefon mit ihrer Mutter gestritten und danach wütend verkündet hatte, sie wolle bereits früher als geplant umziehen und das Telefon abmelden, um für niemanden erreichbar zu sein. Aber nie war die Rede von einem Mann. Hatte Julie sich anders verhalten als sonst? Ihr, Selina, etwas verheimlicht?
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