JULIA FESTIVAL EXTRA WEIHNACHTSBAND Band 03
Augen zu sehen. Als er nickte, fuhr sie verwirrt fort: „Dann verstehen Sie sicher, warum ich Robbie auf keinen Fall in ein Heim geben wollte.“
„Natürlich, aber begreifen Sie denn nicht, dass ich mich schuldig fühle? Nicht Sie, sondern ich bin für den Jungen verantwortlich. Jedenfalls sieht es ganz danach aus, und das passt mir nicht“, gab er leise zu, in seinen Augen war deutlich zu sehen, wie sehr er sich quälte. „Ich möchte mich nicht um die Probleme anderer Leute kümmern müssen …“
„Dann lassen Sie es doch einfach“, meinte sie ernst und blickte ihn flehend an. „Robbie darf nicht unnötig aus dem Gleichgewicht gebracht werden. Angenommen, es stellt sich heraus, dass Sie nicht sein Vater sind. Wie wird er sich dann fühlen, wenn Sie plötzlich wieder aus seinem Leben verschwinden?“
„Und wenn ich tatsächlich Robbies Vater bin?“
„Ach, ich weiß nicht“, gestand sie ratlos. „Sie haben doch selbst gesagt, dass Sie nicht mit den Problemen anderer Leute belastet werden wollen.“
„Ja, aber da ist ein kleiner Junge, dessen Zeugung in nebelhafter Vergangenheit liegt, und obwohl ein Teil von mir nichts mit ihm zu tun haben will, bin ich auch neugierig, wie er wohl mit acht, mit fünfzehn ist. Wird er mir ähnlich sein? Mein Temperament haben?“
„Warum können wir dann nicht einfach in Verbindung bleiben“, fragte Selina eifrig. Vielleicht war das die Lösung. „Ich kann Ihnen schreiben, Fotos schicken, und wenn Robbie älter ist, kann er Sie während der Ferien besuchen …“
„Und Sie glauben, das wird ihm genügen?“
„Wer weiß das schon?“, entgegnete sie traurig. „Lassen Sie uns eins nach dem anderen vornehmen und möglichst gut machen und morgen erst einmal einen schönen Tag verbringen, Robbie zuliebe. Bitte.“
„Ich kann Ihnen kaum einen Wunsch abschlagen, wenn Sie so bitten“, erklärte Steven, während seine Miene plötzlich ernst wurde. Er senkte kurz den Blick und holte tief Luft. „In Ordnung, Selina“, stimmte er leise zu. „Lassen wir das Thema vorerst.“ Er nahm den Kessel mit dem kochenden Wasser vom Herd. „Ich kümmere mich um den Kaffee. Haben Sie die Geschenke für Robbie schon eingepackt?“
„Ja“, antwortete Selina, dankbar für die Gnadenfrist.
„Ist noch Geschenkpapier da?“
„Ein bisschen“, entgegnete sie überrascht. „Brauchen Sie welches?“
„Ja.“ Steven schmunzelte. „Ich habe noch einige Dinge im Dorf auftreiben können.“ Sichtlich verlegen fuhr er fort: „Unter anderem eine Eisenbahn für Robbie. Keine besonders gute, die Auswahl war nicht sehr groß, aber …“
Ein herzliches Lächeln erhellte Selinas Miene. Plötzlich mochte sie Steven. Seine Verlegenheit und Unsicherheit rührten sie. „Sodass Sie damit spielen können?“, neckte sie ihn. „Deshalb kaufen doch die meisten Väter so etwas für ihre Kinder, nicht wahr?“
„Wirklich?“, fragte Steven schelmisch. „Ich dachte, die Bahn würde Robbie sicher gefallen, aber na ja, vielleicht habe ich sie aus reinem Egoismus gekauft.“ Er nahm zwei Kaffeebecher aus dem Schrank, während Selina nachdenklich ins Wohnzimmer ging.
Selina hatte Steven für hartherzig, gleichgültig, nervenaufreibend und arrogant gehalten, ihm jedoch keine menschlichen Schwächen zugestehen wollen. Aber dieses Bild war falsch. Verbarg er sein wahres Ich? Sollte niemand den weichen Kern in der rauen Schale sehen?
Ohne sich dessen völlig bewusst zu sein, hatte sie Steven akzeptiert. Eigentlich ist es sogar ganz schön, ihn um sich zu haben, dachte Selina. Im nächsten Moment war sie zutiefst erschrocken über dieses Eingeständnis. Aber sie war wirklich gern mit Steven zusammen – wenn er sie nicht herausforderte. Oder gefiel ihr auch das? Das Spiel mit dem Feuer? Nein, sicher nicht.
Trotzdem, ohne sich darüber im Klaren zu sein, hatte sie angefangen, Steven zu mögen. Falls er nun doch Robbies Vater war? Und sie ihn wegschickte? Würde Robbie ihr eines Tages Vorwürfe deswegen machen? Aber Steven konnte unmöglich bleiben? Selbst, wenn er wollte …
6. KAPITEL
Steven kam ins Wohnzimmer, reichte Selina einen Becher Kaffee und setzte sich auf die Sofalehne, gleich neben Selina.
„‚Es war am Abend vor Weihnachten‘“, zitierte er leise, „‚als im ganzen Haus kein Wesen sich rührte, nicht mal eine Maus.‘ Den Rest habe ich vergessen“, gestand er lächelnd.
„Irgendwas mit Kindern, die ihre Strümpfe sorgfältig am Kamin aufhängen in der Hoffnung, dass
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