JULIA FESTIVAL EXTRA WEIHNACHTSBAND Band 03
schon dabei sind“, fügte er ungerührt hinzu, „können wir die Diskussion auch zu Ende führen. Also, nenn mir weitere Gründe, die deiner Meinung nach gegen eine Heirat sprechen.“
„Das sind viel zu viele, um sie alle aufzuzählen“, wehrte Selina ab. Im Moment fiel ihr jedoch kein einziger Grund ein, da sie an nichts anderes denken konnte als an Stevens Bemerkung über die Liebe. Außerdem waren ihre Gründe unwichtig, denn sie würde ihn sowieso nie heiraten. Die Nerven zum Zerreißen gespannt, drehte sie sich um und rüttelte vergeblich am Türgriff.
„Würdest du bitte zur Seite gehen und die Tür freigeben?“, rief Selina aufgebracht.
„Nein“, sagte Steven ungerührt.
Sie wirbelte herum. Ihre Wangen glühten, die Augen funkelten.
„Ja, das ist die echte Selina, die Frau mit dem hitzigen Temperament. So warst du, als wir uns zum ersten Mal begegnet sind. Du bist nicht das sanfte, scheue Wesen, in das du dich verwandelt hattest, was mir übrigens sehr merkwürdig vorkam. Nach meiner Erfahrung sind schöne Frauen nämlich keineswegs schüchtern und zurückhaltend, wie du mir weismachen wolltest.“
„Ich kann mir gut vorstellen, dass du über jede Menge Erfahrung verfügst!“
„Sehr klug von dir“, lobte Steven sie mit einer Gönnerhaftigkeit, die Selina zur Weißglut brachte.
„Das alles macht dir wohl einen Heidenspaß? Du amüsierst dich glänzend auf meine Kosten!“, fuhr sie ihn heftig an.
„Ich will nicht lügen. Du siehst wirklich hinreißend aus, wenn du wütend bist!“
Selina lachte verächtlich auf. „Spar dir die abgedroschenen Phrasen. Die sind schon mit Clark Gable aus der Mode gekommen!“
„Aber du schaust nun mal ganz hinreißend aus in deiner Wut, Darling. Jetzt lass uns wieder vernünftig miteinander reden. Ich weiß, die letzten drei Monate waren ein einziger Albtraum für dich – Julie starb, Peter hat dich verlassen …“
„Paul!“, korrigierte Selina eisig. „Und er hat mich nicht verlassen! Wie du weißt, will er mich sehen.“
„Unwichtig“, tat Steven ihre Bemerkung ab. „Paul hat seine Meinung in Bezug auf Robbie sicher nicht geändert.“
„Das weißt du doch gar nicht!“
„Du aber ebenso wenig“, wandte Steven behutsam ein. „Du solltest dich keinen Illusionen hingeben.“
„Ich gebe mich keinen Illusionen hin! Und sobald wir in London sind, wird es uns prächtig gehen! So, jetzt lass mich durch, ich möchte mich anziehen.“
„Beweise es“, verlangte Steven ruhig.
„Was? Dass es uns in London prächtig gehen wird?“
„Nein, dass ich dir gleichgültig bin.“
„Oh nein! Vergiss es, Steven! So dumm bin ich nicht!“
„Dumm?“, fragte er zweifelnd und rückte ihr noch näher. „Was ist daran dumm? Beweis mir deine Gleichgültigkeit, und ich werde finanzielle Vorkehrungen für Robbie treffen und danach verschwinden.“
Selina wurde das Gefühl nicht los, furchtbar in der Klemme zu stecken. Sie musste ihn unbedingt von diesem Thema abbringen, und zwar schnell. „Steven“, begann sie betont sachlich, „ich weiß nicht, woher dieses … ritterliche Verhalten plötzlich herkommt. Aber dass ausgerechnet du, ein überzeugter Einzelgänger, dich um Frau und Kind kümmern willst, nehme ich dir nicht ab. Vernunftehen sind bereits seit langem out …“
„Im Gegenteil, Miss Martin, sie sind immer noch in. Vernunftehen werden jeden Tag geschlossen, vor allem des Geldes wegen.“
„Aber dieser Grund würde nicht für uns gelten“, wandte Selina unsicher ein.
„Nein“, gab er zu. „Du hast offenbar nicht recht begriffen, worum es mir geht. Nicht unser Vorteil ist für mich entscheidend, sondern einzig und allein Robbies Wohl. Während der langen Überfahrt nach Spanien habe ich über meine eigene Kindheit nachgedacht. Mir fielen plötzlich Erlebnisse ein, die ich längst vergessen hatte. Die kränkenden Bemerkungen anderer Kinder. Unehelich geboren, galt ich immer weniger als andere …“
„Aber heute ist das anders“, sagte sie hilflos. „Es gibt Tausende von alleinerziehenden Müttern und Vätern …“
„Das weiß ich. Für sie mag das ja auch kein Problem sein. Doch wurden auch nur einmal die Kinder gefragt, wie sie sich fühlen, Selina?“
Sie wandte sich ab und biss sich auf die Unterlippe. Dasselbe hatte sie Julie zu bedenken gegeben, als sie darauf bestand, Robbie zu behalten. Musste man einem Kind nicht die Chance geben, in einer normalen, intakten Familie aufzuwachsen, wenn sich die Möglichkeit bot?
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