Julia Gold Band 0045
sah ein, dass es ihren Vater nur beunruhigen würde, wenn sie ihn unbedingt von ihrer Liebe zu Sharif überzeugen wollte. Deshalb entschloss sie sich, seinem Wunsch nachzukommen und ihm lustige Erlebnisse aus der Vergangenheit zu berichten. Vielleicht würde er dann einsehen, wie wenig die Gegenwart sie belastete.
In den folgenden Stunden gelang es ihnen, die Kluft, die sich zwischen ihnen während der sechzehn Jahre aufgetan hatte, zu überbrücken und wieder wie Vater und Tochter miteinander umzugehen. Leider verging die Zeit viel zu schnell. Als sie schließlich Abschied nehmen mussten, hoffte Leah, ihren Vater überzeugt zu haben, dass er sich ihretwegen keine Sorgen zu machen brauchte. Keinesfalls sollte er sich ihr zuliebe in Gefahr begeben. Sie küsste ihn auf die Wange und lächelte ihn herzlich an.
„Sag Glen und Samira, dass ich an sie denke und sie liebe. Und vergiss nicht, ich fühle mich hier wohl, es besteht kein Grund zur Besorgnis.“
Ihr Vater umarmte sie schweigend. Und nach einem letzten innigen Blick ließ er sich von den Wachen, die gekommen waren, um ihn abzuholen, hinausbegleiten.
Auch Leah wurde zurück zu ihrer Suite im Frauenflügel geführt. Dort entdeckte sie ihre Handarbeit, die man vor dem Fenster im Salon für sie bereitgestellt hatte. In Gedanken versunken und ein bisschen traurig nach dem Abschied von ihrem Vater ging sie zu dem Rahmen mit dem Wandteppich und ließ die Finger langsam über jeden einzelnen Abschnitt der Stickerei gleiten, mit der sie sich die Wartezeit vertrieben hatte. Glen kommt jetzt bestimmt nicht mehr, um mich hier herauszuholen, und ich will es auch gar nicht, überlegte sie. Dann setzte sie sich hin und begann wieder zu sticken. Aber sie kam nur langsam voran, denn immer wieder schweiften ihre Gedanken zu Glen und Samira, die nun verheiratet und glücklich waren, was Leah wie ein kleines Wunder vorkam.
Als eine Tür zuknallte, schreckte Leah aus ihren Gedanken auf. Instinktiv wusste sie, dass Sharif ins Zimmer gekommen war, denn plötzlich war die Atmosphäre wie zum Zerreißen gespannt. Eigentlich war sie nach dem Besuch ihres Vaters viel zu erschöpft und wäre gern noch eine Weile allein geblieben. Deshalb ignorierte sie Sharifs Anwesenheit und beschäftigte sich mit ihrer Handarbeit.
„Wie kannst du so heiter und gelassen hier herumsitzen, wenn du mir ständig irgendwelche Probleme bereitest, mit denen ich mich dann auseinandersetzen muss!“, sagte er vorwurfsvoll.
Leah war so verblüfft über diese unglaubliche Bemerkung, dass sie sich ruckartig zu ihm umdrehte.
Zufrieden darüber, dass sie ihn nun beachtete, schritt Sharif durchs Zimmer, während er sie finster und missbilligend anschaute. „Seit du in meinem Leben aufgetaucht bist, ist es ein einziges Chaos“, erklärte er.
Empört stand Leah auf. Sie ärgerte sich über seine Worte. „Du bist in mein Leben eingedrungen, Sharif al Kader, nicht ich in deins. Ich hatte keinen Einfluss auf unsere Begegnung, sondern saß nur friedlich im Garten und stickte an dem Wandteppich.“
„Ja, dieser Wandteppich hat mich auf Gedanken gebracht, die ich besser nicht gehabt hätte“, fuhr er sie an.
„Ich habe alles versucht, dir diese Gedanken auszureden“, erwiderte sie hitzig.
„Und das hat dann alles noch viel schlimmer gemacht. Du hast dich gewehrt und mich dadurch herausgefordert, sodass mein Interesse an dir immer stärker wurde. Warum tust du so lammfromm und sanftmütig, wenn du in Wirklichkeit ganz anders bist? Außerdem hat mich noch nie eine Frau so angeschaut wie du.“
„Was willst du damit sagen? Du hast mich doch mit Blicken ausgezogen, vergiss das nicht. Ich hatte das Gefühl …“
„Oh! Du gibst es also zu.“ Triumphierend hob er den Zeigefinger.
„Wie bitte?“
„Du wolltest wissen, wie es ist, mit mir zu schlafen. Nun, jetzt weißt du es. Aber ich verstehe nicht, weshalb du dich darüber bei deinem Vater beschweren musstest.“
„Das habe ich doch gar nicht“, rief Leah entrüstet aus. „Ganz im Gegenteil.“
„Was soll das denn heißen?“, fragte Sharif.
„Ich habe ihm gegenüber behauptet, dich zu lieben und dass du ein wunderbarer Liebhaber seist. Und dann habe ich ihm noch gesagt, er könne beruhigt nach Hause fliegen und brauche sich um mich keine Sorgen zu machen, weil ich glücklich sei und bei dir bleiben möchte.“ In ihren blauen Augen funkelte es vor Zorn. „Natürlich habe ich das nur behauptet, weil …“
„Weil es die Wahrheit ist“,
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