JULIA GOLD Band 32
den breiten Gang entlang nach draußen, wo alle versammelt waren. Sie konnte nicht mehr klar denken, Tränen brannten in ihren Augen. Amin brachte Lüge und Wahrheit besser durcheinander als jeder andere, den sie kannte.
Er kannte auch ihre Angst, was ihm eine schreckliche Macht über sie verlieh. Er wusste, dass sie Angst hatte, verlassen zu werden. Wusste, dass sie Angst hatte, von ihrem Kind getrennt zu werden.
Mit zittrigen Händen glättete sie ihr Kleid und zupfte ihren Schleier zurecht. Ihr Herz raste immer noch, sie konnte Amins Worte nicht vergessen. Kahlil ist ein Scheich, er ist Araber, und arabisch ist auch seine Denkweise …
Bryn verfluchte sich insgeheim, dass sie sich jemals Amin anvertraut hatte. Amin wusste, dass sie früher sehr unsicher gewesen war. Er ahnte, dass sie wahrscheinlich immer noch diese Unsicherheit in sich trug. Es gehörte nicht viel dazu, das Selbstbewusstsein eines Menschen zu erschüttern. Die richtigen Worte, die richtigen Anschuldigungen, der richtige Samen, zur richtigen Zeit gesät …
„Nein!“ Sie würde nicht zulassen, dass Amin ihr dies wieder antat. Er war ein Mal zischen Kahlil und sie getreten und hatte ihre Ehe zerstört. Ein zweites Mal würde es ihm nicht gelingen. Sie war stärker geworden. Selbstbewusster. Sie wusste, was sie wollte. Sie wollte Kahlil.
Dies war ihr Hochzeitstag. Sie würde nicht zulassen, dass irgendjemand – vor allem nicht Amin – ihn zerstörte.
Bryn holte tief Luft und versuchte, sich zu beruhigen. Allmählich nahm sie wahr, was um sie herum geschah. Leises Lachen und ungeduldige Stimmen drangen in ihr Bewusstsein. Alle waren aufgeregt wegen der Feierlichkeiten. Sie war aufgeregt. Dies war der Beginn eines neuen Lebens für sie und Ben.
Rifaat und Lalia warteten an der Tür auf sie. „Gab es ein Problem?“, fragte Rifaat und blickte an ihr vorbei den Korridor entlang.
Bryn zauberte ein Lächeln auf ihre Lippen. Ihr war immer noch kalt, doch das Zittern hatte nachgelassen. „Es ist alles in Ordnung.“
Rifaat zog die Augenbrauen zusammen. „Ich dachte, ich hätte den Cousin seiner Hoheit gesehen …“
„Haben Sie. Ich bin ihm begegnet. Er war auf dem Weg in sein Zimmer.“
Rifaat ließ seinen Blick noch einmal durch den Gang schweifen, bevor er ihr blasses, beherrschtes Gesicht eingehend musterte.
Sie merkte, dass er ihren Hals betrachtete. Nervös berührte sie die Stelle, auf die er starrte. Amin hatte ihren Hals zugedrückt. Es wäre möglich, dass sein fester Griff Spuren hinterlassen hatte. Ihr wurde übel, doch sie konnte jetzt nichts dagegen tun. Dies war ein glücklicher Tag, ein Tag, auf den sie Jahre gewartet hatte. Sie würde sich diesen Augenblick nicht von Amin zerstören lassen. „Wollen wir?“, fragte sie.
„Ja, Prinzessin“, erwiderte Lalia und streckte die Hände aus, um Bryns Mund und Nase mit dem hauchdünnen Schleier zu bedecken. „Zeit zu gehen. Seine Hoheit wartet schon.“
Am Palasttor wartete Kahlil auf sie. Bryns Angst verflüchtigte sich, stattdessen hatte sie Schmetterlinge im Bauch. Sie fühlte sich wie eine wirkliche Braut – aufgeregt, glücklich und den Tränen nahe. Es war ein bewegender Moment, in Kahlils Land seine Frau zu werden. Ihn nach den Bräuchen seines Landes zu heiraten. Die Gelübde in seiner Sprache abzulegen.
Sie war sicher, dass sie das Richtige tat. Es war perfekt. Doch ihre Idee von Perfektion schwand, als ihr Blick auf das von ihr verhasste Transportmittel fiel. „Ein Kamel, Kahlil?“
Er nahm ihre Hand und küsste ihre Finger. „So ist es Brauch.“
„Du weißt, was ich von Kamelen halte.“
„Du hast eine schlechte Erfahrung gemacht, Laeela. Dieses Tier hat seit Monaten niemanden gebissen.“
Missbilligend schaute sie Kahlil an. Sie waren gerade verheiratet gewesen, als sie den besagten Kitt auf Kamelen unternommen hatten. Kahlils Tier hatte sich wunderbar benommen. Ihres hatte sie abgeworfen und auch noch die Frechheit besessen, sie zu beißen, als sie flach auf dem Rücken lag.
Kahlils Gesichtsausdruck konnte sie entnehmen, dass auch er sich sehr gut daran erinnerte. Er hatte absichtlich diese Art des Transports gewählt. Es war seine Art, sie an die Vergangenheit zu erinnern. „Hoffentlich spuckt es nicht. Ich möchte nicht, dass mein Kleid ruiniert wird. Oder meine Frisur. Lalia hat sich zwei Stunden lang mit meinen Haaren abgemüht.“
„Ich verspreche dir, es wird nicht spucken.“
Sie verzog den Mund. „Du hast vielleicht Einfluss auf die
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