JULIA GOLD Band 32
Person, deshalb weißt du nicht, wie sie wirklich ist. Du hörst nicht, was sie zu mir sagt, wenn wir allein sind.“ Normalerweise beklagte sich Pippa nicht gern bei Hassan. Sie konnte selbst mit Analya fertig werden. Aber im Moment war sie zu wütend, um die Sache zu verharmlosen.
„Vielleicht sollte ich mal mit ihr reden. Wenn Analya dich ständig belästigt, mache ich dem ein Ende.“
„Nein, tu das nicht.“ Pippa atmete tief durch. „Ich überreagiere nur. Du weißt ja, wie ich werde, sobald jemand ihren Namen erwähnt.“
Für den Rest des Abends hielt Analya sich von ihr fern, und als Hassan und sie ins Bett gingen, sah Pippa ein, dass es dumm von ihr gewesen war, sich von einer gehässigen Frau aus der Fassung bringen zu lassen. Das Leben war so wundervoll, dass nicht einmal Analya es verderben konnte.
Am nächsten Nachmittag entschied Hassan, dass sie einen Kurswechsel brauchten. „Du musst genug davon haben, immer dasselbe zu machen“, sagte er zu Pippa.
„Ich würde es meinen“, warf Raysim ein. „Inzwischen seid ihr doch bestimmt schon die gesamte ländliche Gegend bis zur Grenze abgefahren.“
„Mir hat es gefallen“, widersprach Pippa. „Ich mag die Landschaft.“
„Du hast aber nur eine Seite von Sharribai gesehen“, sagte Hassan. „Heute nehme ich dich mit in die Berge.“
Raysim blickte auf die Uhr. „Solltest du nicht bis morgen warten? Es ist eine lange Fahrt hin und zurück. Ihr wollt doch nicht zu spät zu dem Empfang kommen, der heute Abend stattfindet.“
„Und wenn?“ Hassan lachte.
„Kannst du ihn nicht überreden, die Fahrt zu verschieben, Pippa?“, bat Raysim. „Den Finanzminister zu beleidigen ist unklug.“
„Ich passe auf, dass wir rechtzeitig zurückfahren“, erwiderte sie.
„Na schön.“ Raysim schüttelte empört den Kopf. „Du tust ja sowieso, was du willst“, sagte er zu seinem Cousin.
„Jetzt hast du es endlich kapiert.“
„Würdest du bitte die Strafurteile unterschreiben, bevor du gehst? Corsel möchte die Verurteilten ins Hochsicherheitsgefängnis überführen, damit er mehr Platz hat. Die Zellen sind überfüllt.“
„Kann es nicht warten?“
Raysim zuckte die Schultern. „Du bist derjenige, der immer von inhumanen Haftbedingungen redet.“
Hassan seufzte resigniert. „Bring mir die Papiere. Es wird nicht lange dauern“, sagte er zu Pippa.
„Mich stört es nicht“, versicherte sie ihm.
Er teilte ihre Geduld nicht und ging rastlos auf und ab, während sie warteten. „Wo, zum Teufel, bist du gewesen?“, fragte er, als Raysim endlich wieder auftauchte.
„Irgendjemand hat die Dokumente falsch abgelegt. Ich musste sie erst suchen.“ Raysim übergab Hassan einen dicken Stapel Papiere.
„So viele? Das dauert mindestens eine halbe Stunde!“
„Nicht, wenn du sofort anfängst.“
Hassan behielt recht. Dreißig Minuten später hatte er das letzte Schriftstück unterschrieben. „Komm mir ja nicht mit noch irgendeiner Sache, die ich erledigen muss. Wir fahren jetzt los.“
Haleel stand auf dem Flur, als Hassan, Pippa und Raysim herauskamen. „Darf ich Sie einen Moment sprechen, Euer Majestät?“, fragte der junge Mann nervös.
„Nicht jetzt, Haleel. Ich bin schon lange genug aufgehalten worden. Vielleicht heute Abend.“
Pippa wusste, dass Hassan ihn kurz abfertigte, weil Raysim bei ihnen war. Haleel tat ihr leid. Dass er seine Ungeduld zügeln konnte, war wohl zu viel erwartet. Bestimmt hatte er seinen ganzen Mut zusammengenommen, um den Sultan zu fragen, wann er Mitousha denn nun heiraten dürfe. Pippa wünschte, sie könnte dem besorgt aussehenden Haleel irgendwie versichern, dass Hassan keineswegs unzufrieden mit ihm war.
Die Fahrt hoch ins Gebirge war schön. Die Hänge waren dicht bewaldet, und gelegentlich wurde tief unten kurz die Hauptstadt sichtbar, die aus dieser Höhe wie ein verzaubertes Dorf aussah. Der einzige Nachteil war die schmale zweispurige Straße, die sich ohne Leitplanken um Haarnadelkurven schlängelte und an manchen Stellen kaum breit genug für zwei entgegenkommende Autos war. Der eine Fahrer musste sich dicht an der Bergseite halten, während der andere gefährlich nah am steilen Abgrund war.
Schließlich wurde die Straße flacher, und Hassan bog auf einen Weg ab, der durch ein Gewirr von Wildrosen führte, die fast völlig die Zäune am Rand verdeckten. Der Weg endete vor einem romantischen Feldsteinhaus mit einem großen See dahinter. Ein Schild an einem Pfosten wies darauf hin, dass es
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