JULIA GOLD Band 32
Nervenbündel war. Sie musste mit jemandem reden, und wenn auch nur über belanglose Dinge. In den Harem zu gehen war die einzige Möglichkeit.
„Ich bin so froh, Sie zu sehen!“, rief Taleesha sichtlich erleichtert. „Geht es Ihnen gut?“
Pippa war alarmiert. „Warum sollte es mir nicht gut gehen?“
„Ich dachte nur … In Sharribai haben viele Grippe. Ich dachte, Sie haben sich vielleicht angesteckt.“
„So schnell? Heute Morgen beim Englischunterricht war ich noch völlig gesund.“
„Grippe kommt ganz plötzlich, und Frauen sind empfindlicher als Männer.“
„Analya, zum Beispiel? Ist sie wirklich krank?“ Pippa blickte Taleesha scharf an.
„Das kann ich nicht wissen. Wir hier im Harem führen ein sehr behütetes Leben. Uns wird nichts gesagt.“
„Offiziell vielleicht nicht, aber ihr seid an das größte Nachrichtensystem diesseits der CIA angeschlossen.“
„Ich verstehe nicht.“
„Oder Sie wollen nicht verstehen.“ Pippa kniff die Augen zusammen. „Warum waren Sie so erleichtert, mich zu sehen?“
„Das habe ich erklärt.“
„Wissen Sie, was dem Sultan und mir heute Nachmittag passiert ist?“
Taleesha zögerte. „Hatte es etwas mit seinem Auto zu tun?“
„Die Bremsen haben versagt, als wir eine Bergstraße hinuntergefahren sind.“
„Das ist furchtbar! Ich habe Angst vor Autos. Es gibt so viele Unfälle.“
„Ich glaube nicht, dass es ein Unfall war, und ich brauche Informationen. Hat Analya Kontakt mit einem der Mechaniker in der königlichen Autowerkstatt?“
„Nicht, dass ich wüsste.“ Taleesha lächelte schwach. „Sie hat mit der Arbeiterklasse nichts zu schaffen.“
„Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie sich die Hände schmutzig macht. Sie würde die Drecksarbeit jemand anderen überlassen.“
„Sie denken doch nicht etwa, dass sie etwas mit dem Unfall zu tun hat?“ Taleesha runzelte die Stirn.
Pippa seufzte. „Ich weiß es nicht mehr. Wenn mich jeder für verrückt hält, bin ich es vielleicht. Aber erst der Raser in der Innenstadt – über den ich mir jetzt auch Gedanken mache –, und heute Nachmittag die Beinahetragödie auf der Bergstraße. Analya hat mich mehr als ein Mal gewarnt, ich sei nicht sicher in Sharribai, und das stimmt anscheinend. Niemand will glauben, dass sie so rachsüchtig ist, alles deutet jedoch auf sie hin.“
„Vielleicht irren Sie sich“, sagte Taleesha. „Wir haben ein Sprichwort in Sharribai: ‚Hunde, die bellen, beißen nicht.‘“
„Wir habe dasselbe in Amerika. An Ihrer Theorie ist nur eins falsch. Analya ist die Einzige, die mich hier weghaben will.“
„Sind Sie sicher?“, fragte Taleesha.
„Nun ja, einigermaßen. Nachdem Hassan den Grund für meinen Besuch erklärt hat, sind alle sehr freundlich zu mir – bis auf Kalid. Aber er zählt nicht. Er hasst Ausländer.“ Als Taleesha sie nur schweigend ansah, runzelte Pippa die Stirn. „Ich lasse gelten, dass Kalid keine Bedenken hätte, mich loszuwerden, doch er hätte nicht den heutigen Unfall organisiert. Hassan hätte mit mir zusammen umkommen können.“
„Das wäre eine große Tragödie für das Land gewesen.“
„Sie haben ja so recht. Hassan plant durchgreifende Änderungen, die dem Volk nützen werden.“
„Pläne, mit denen sein Onkel nicht einverstanden ist“, erwiderte Taleesha ausdruckslos.
Pippa verstand endlich. „Sie deuten an, dass Kalid seinen Neffen umbringen lassen würde! Kalid würde nach Hassans Tod Sultan werden, stimmt’s?“
„Er ist der Nächste in der Thronfolge.“ Taleesha machte eine Pause, um ihren Worten Nachdruck zu verleihen. „Und nach ihm sein Sohn.“
„Raysim kann nicht an dem Anschlag beteiligt sein! Er und Hassan sind wie Brüder. Hassan hat es mir selbst erzählt.“
Taleesha schwieg.
„Wenn Sie recht haben, ist Hassan in großer Gefahr!“, sagte Pippa entsetzt. „Wir müssen ihn schützen.“
„Ich kann nichts tun. Wir Haremsdamen erfahren vieles, doch wir sind nicht in der Lage, etwas zu unternehmen. Wenn bekannt werden würde, dass ich über Dinge gesprochen habe, zu denen ich mich nicht äußern sollte, müsste ich teuer dafür bezahlen.“
„Hassan würde nicht zulassen, dass Ihnen etwas passiert. Wenn Sie wissen, was als Nächstes geplant ist, müssen Sie es mir sagen.“
„Ich kann nicht länger mit Ihnen reden. Sie sollten jetzt besser gehen.“
Pippa wusste, dass es zwecklos war, zu widersprechen. Ihr Verstand war in Aufruhr, als sie in ihre Suite zurückkehrte. Dass Hassans
Weitere Kostenlose Bücher