Julia Gold Band 47
aber das wird sich kaum auf das Ehebett auswirken. Dort benimmst du dich zum Glück völlig natürlich.“
„Komm mir bloß nicht damit! Du hast mich doch einfach überrumpelt. Ich hatte doch keine Ahnung, was für ein Spiel du mit mir spielst!“, hielt Polly ihm scharf vor.
„Jetzt weißt du es.“ Raschid sprach sachlich und beherrscht. „Kleide dich bitte angemessen für die Audienz bei meinem Vater. Wir landen bald.“ Daraufhin verließ Raschid den Schlafraum.
Pollys Zorn war verflogen. Jetzt kämpfte sie gegen die Tränen an. Was Raschid ihr so kaltblütig eröffnet hatte, war einfach unglaublich. Prinz Raschid Ibn Saud al Azarin hatte sie auch nicht heiraten wollen! Warum ist er überhaupt nach Ladybright gekommen? fragte Polly sich aufgebracht.
Hatte er sich aus Ehrgefühl heraus an das Versprechen gebunden gefühlt? Und nachdem er ihr zu spät die Augen geöffnet hatte, tat er jetzt auch noch so, als hätten sie, Polly, und ihre Familie ihn zur Heirat gedrängt. Nun verstand sie, weshalb Raschid sich bei der ersten Begegnung so abweisend verhalten hatte. Der Verdacht, den sie einen Moment lang gehegt hatte, war also doch richtig gewesen. Dieser arrogante Mann hatte tatsächlich versucht, sie von der Heirat abzubringen!
Aber warum hatte Raschid es trotz seiner Abneigung dazu kommen lassen? Offenbar, weil ihr Aussehen ihn für sein „Opfer“ entschädigte. Für ihn war sie nur ein sexuelles Spielzeug, ein Betthäschen …
„Wir werden uns so schnell wie möglich scheiden lassen“, verkündete Polly, als sie die Salonkabine wieder betrat. Sie trug ein bodenlanges zartgrünes Kleid, das ihre schlanke Figur umschmeichelte.
„Bitte sei nicht kindisch, Polly.“ Raschid saß am Schreibtisch und blickte nur flüchtig von den Unterlagen auf, die vor ihm lagen.
Es ärgerte Polly, dass er kaum Notiz von ihr nahm. Kampflustig trat sie näher und verschränkte die Arme vor der Brust. „Wenn du nur nach Ladybright gekommen bist, um das verrückte Versprechen deines Vaters einzulösen, ist mein Vorschlag nicht kindisch, sondern die einzig vernünftige Lösung.“
Raschid hob den Kopf und musterte Polly kühl. „Ich gebe zu, dass das Versprechen … ungewöhnlich war. Mein Vater ist jedoch kein Mann, der unbedachten Regungen nachgibt.“
„Aber du stehst genau wie er zu diesen unsinnigen Ehrbegriffen.“
„Davon versteht ihr Frauen nichts. Die Ehre verpflichtet einen Mann häufig, Wege zu gehen, die er sich nicht ausgesucht hat“, betonte Raschid. „Im Übrigen habe ich erst vor drei Wochen von dieser Vereinbarung unserer Väter erfahren.“ Polly war erstaunt. „Erst vor drei Wochen?“
„Es gab keinen Grund, warum mein Vater damit eher an mich hätte herantreten sollen. Als ich mit zwanzig heiratete, warst du noch ein Kind.“ Raschid schwieg einen Augenblick, ehe er beherrscht fortfuhr: „Außerdem glaube ich, dass mein Vater dieses Versprechen anfangs nicht ganz so ernst gemeint hat, wie er heute vorgibt, sonst hätte er mir schon vor Jahren davon erzählt. Inzwischen kenne ich seine Beweggründe. Ich kann offen darüber sprechen, weil diese Sache im Palast kein Geheimnis ist. Mein Vater hat mich schon lange zwingen wollen, wieder zu heiraten.“
3. KAPITEL
Polly war so verblüfft über Raschids Geständnis, dass sie sich in einen Sessel sinken ließ. „Aber wieso ist dein Vater ausgerechnet auf mich verfallen?“, fragte sie fassungslos.
„Mit dem Versprechen von damals konnte er Druck auf mich ausüben.“ Raschid lächelte grimmig. „Er hatte mir aber zumindest versprochen, vor dem Treffen mit deinem Vater eingehende Erkundigungen über dich einzuziehen.“
„Er hat Nachforschungen über mich angestellt?“
„Natürlich. Du bist sehr naiv, Polly. Mein Vater wäre das Risiko niemals eingegangen, mir eine Braut auszusuchen, die Schande über unsere Familie hätte bringen können.“
Rückblickend erschien es Polly nun wirklich töricht, dass sie angenommen hatte, König Reija würde einer Ehe seines Sohnes mit einer Frau zustimmen, von der er nichts wusste. Raschids Enthüllungen warfen ein ganz anderes Licht auf das Londoner Zusammentreffen ihres Vaters mit dem König. Er hatte über sie und ihre Familie genau Bescheid gewusst, ehe Ernest Barrington zu der Audienz erschien. Also musste König Reija auch über die finanzielle Situation ihres Vaters unterrichtet gewesen sein.
Polly brauchte eine Weile, um die neuen Erkenntnisse zu verarbeiten. Schließlich erklärte sie:
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