Julia Gold Band 47
passte gar nicht zu ihm, denn sie war nicht nur eine Bürgerliche, sondern sogar eine Arbeiterin. Sie wusste nichts von Umgangsformen, verfügte nicht über die richtige Kleidung und hatte keine Ahnung, wie man einen Mann zufriedenstellte.
Langsam atmete er aus, um sich zu entspannen.
Noch immer konnte er sie schmecken. Ihr Duft lag noch auf seiner warmen Haut. In der letzten Nacht hatte er von ihr geträumt. Sie hatte schon viel Unangenehmes in ihrem Leben erfahren, aber er erinnerte sich an ihr hoffnungsvolles Lächeln. Die Vergangenheit bestimmte ihr Leben nicht.
Sharif ärgerte sich über sich selbst. Obwohl es in seinem Land möglich war, mehrmals zu heiraten, hatte er es nie beabsichtigt. Weder sein Vater noch sein Großvater hatten mehr als eine Frau gehabt. Der westliche Einfluss hatte die Tradition schon seit Jahrzehnten verändert.
Plötzlich klopfte jemand an die Tür. Rose und sein Vater standen davor, und Shay bat sie hinein. Er ging sofort zum Tablett mit Brandy.
„Es ist noch nicht Mittag.“ Sein Vater betrachtete missbilligend die Karaffe.
„Möchtest du einen?“ Sharif nahm einen herzhaften Schluck.
„Ja, ich nehme einen“, antwortete Rose, und beide Männer schauten sie überrascht an. „Meinen Kummer zu ertränken, ist jetzt genau richtig. Ich lerne endlich meinen jüngsten Sohn kennen und stelle fest, dass er ein Idiot ist.“
Sharif hätte sich fast verschluckt. Auch sein Vater blickte Rose erstaunt an.
So ein Pech, dachte Sharif. Die Frau gefiel ihm langsam, aber er wusste, dass sein Vater ein solches Verhalten nicht billigen würde.
Sein Vater räusperte sich. „Deine Mutter hat recht. In der letzten Zeit hast du dich wirklich idiotisch benommen.“
Nun war Sharif beleidigt, weil sein Vater zu Rose hielt.
„Hat jemand Olivia geholfen?“
„Interessiert dich das wirklich?“, fragte Rose. „Alex hat sie begleitet.“
„Man sollte sie nicht allein lassen.“
„Es tut mir leid, ich war nicht fair“, entschuldigte sich Rose. „Ich würde gern deine Version hören.“
„Ich habe ihr meinen Namen und meinen Schutz angeboten. Ist das keine Ehre?“
„Okay“, meinte Rose langsam, „sie akzeptiert also deinen Antrag, will sich aber auch noch mit Mickey treffen. Du wärest natürlich immer die Nummer eins. Wäre das eine Ehre für dich?“
Mickey? Der andere Stallknecht? Entrüstet warf Sharif den Kopf zurück. „Sie ist mit diesem, mit diesem …“
„Vorsicht“, warnte Rose. „Das war eine reine Vermutung, aber ich bin froh, dass du eifersüchtig bist.“
„Deine Analyse ist nicht ganz korrekt. Schließlich stammt mein Antrag aus einer jahrelangen Tradition …“
„Genug, Sharif“, unterbrach ihn sein Vater. „Wir beide wissen, dass sich die Zeiten geändert haben. Du hast wohl Angst.“
„Angst?“ Sharif lachte kurz auf. „Unsinn.“ Solche dummen Spekulationen wollte er sich nicht anhören.
„Aha, ich habe also die Wahrheit entdeckt.“
„Du kannst so viel spekulieren, wie du willst. Ich habe noch einiges zu erledigen.“
„Warte.“ Sein Vater hielt eine Hand hoch. „Du kannst nicht einfach fortlaufen. Du hast diese junge Frau verletzt, und ich glaube nicht, dass du dir nichts aus ihr machst.“
Es konnte nicht möglich sein, dass er nach so kurzer Zeit schon intensive Gefühle für Olivia hatte. Er hatte sich mit wesentlich passenderen Frauen getroffen, aber an Heirat hatte er dabei nie gedacht. Sein Vater hatte jedoch recht, denn er mochte Olivia. Sein Stolz hatte seinen gesunden Menschenverstand besiegt.
„Ich kannte Ibrahim nur eine Woche, bevor ich zustimmte, ihn zu heiraten“, erklärte Rose, als ob sie seine Gedanken lesen könnte. „Niemals habe ich daran gezweifelt, dass wir zusammengehörten. Er fehlt mir immer noch.“
„Schau in dein Herz, Sharif.“ Der Gesichtsausdruck seines Vaters war sanfter geworden. „Du hattest doch einen Grund für deinen Antrag. Vielleicht akzeptiert dein Herz das, was dein Verstand nicht erkennen will.“
Was war nur geschehen? Sein Vater hatte ihn früher nie ermutigt, zu heiraten. Sharif hatte nie an einen Harem gedacht, aber vielleicht würde er sich langweilen, wenn er immer an eine Frau gebunden war.
Er dachte wieder an Olivia mit den violetten Augen und dem ansteckenden Lächeln, das alles erträglicher machte. Durch sie hatte er Dankbarkeit gelernt. Er dagegen hatte sie mit Schmerz belohnt.
Es wäre schlimm, wenn er nicht mehr bei ihr sein könnte, aber eine Heirat war so endgültig.
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