Julia Gold Band 47
den Ring vom Finger zu ziehen, doch er saß fester denn je.
Als sie eintrat, blätterte er in Papieren. Das Haar war ihm in die Stirn gefallen, er hatte die Krawatte gelockert und die Ärmel aufgerollt. Wie sollte sie ihm ein Jahr lang Gleichgültigkeit vorspielen? Ihr fröstelte. Er blickte auf und betrachtete sie.
Sie hoffte, dass er nicht sehen konnte, was in ihr vorging und was sie für ihn empfand. Sie musste sehr vorsichtig sein, denn er war bekannt für seinen sechsten Sinn. Er schien immer zu wissen, was sein Gegenüber dachte, während er sich meist bedeckt hielt. Er durfte niemals auch nur ahnen, was sie fühlte. Niemals!
Bevor er die Chance hatte zu sprechen, setzte sie sich ihm gegenüber und berichtete, was sie am Morgen erledigt hatte.
„Gute Arbeit“, sagte er und sah sie auf merkwürdige Weise an. „Ich habe inzwischen den Ehevertrag vorbereitet. Sie müssen nur noch unterschreiben.“ Er hielt ihr ein Schreiben entgegen.
Mit Verträgen hatte sie keine Erfahrung. Damit hatten sich immer seine Anwälte beschäftigt. Außerdem konnte sie sich in seiner Gegenwart nicht konzentrieren. Die Buchstaben tanzten vor ihren Augen. Also nahm sie einen Füller aus ihrer Kostümjacke und machte Anstalten zu unterschreiben.
Er riss ihr förmlich das Blatt aus der Hand. „Sie sollten das vorher durchlesen“, sagte er streng.
„Es ist bestimmt in Ordnung so.“
„Woher wollen Sie das wissen? Ich könnte versuchen, Sie zu betrügen.“
„Haben Sie das vor?“, fragte sie.
„Natürlich nicht. Ich denke, ich war mehr als fair. Und meine Anwälte auch.“
„Wozu dann der Vertrag?“
„Emily, seien Sie nicht naiv. Weder Sie noch ich können ein Risiko eingehen. Mit Ihrer Unterschrift akzeptieren Sie mein Angebot und versprechen im Gegenzug, ein Jahr lang mit mir verheiratet zu bleiben und das Leben einer Ehefrau zu führen. Mit allem, was dazugehört.“
„Mit allem, was dazugehört“, wiederholte sie und bekam einen Schreck. Kochen? Putzen? Ihn bei gesellschaftlichen Anlässen begleiten? Sex? Bei dem Gedanken erblasste sie. Es war ihr peinlich zu fragen, aber sie musste es tun. „Und was heißt das?“
Plötzlich blitzte es schelmisch in seinen Augen. „Was glauben Sie?“
Sie wurde rot und senkte verlegen den Blick. Trieb er Scherze mit ihr? Versuchte er, mit ihr zu flirten? Unmöglich! Ihre Beziehung war immer rein geschäftlich gewesen. Als sie ihn wieder ansah, war der Schalk aus seinen Augen verschwunden.
„Ich … ich weiß nicht“, stammelte sie. „Ich vermute, ich soll Sie begleiten und so.“
„Hm“, sagte er. „Sex gehört jedenfalls nicht dazu. Da kann ich Sie beruhigen, falls Sie das befürchtet haben.“
Es gelang ihr, das Ganze mit einem Schulterzucken abzutun. In Wahrheit versetzte sie die Vorstellung, mit Ben zu schlafen, in Panik. Sie konnte sich das nicht anders als demütigend vorstellen. Deshalb war sie erleichtert, dass er sich ebenso wenig wie sie auf eine sexuelle Beziehung einlassen wollte.
Sie nahm ihren Füller und griff nach dem Papier.
„Wollen Sie gar nicht wissen, was Sie im Gegenzug erhalten?“
„Das haben Sie doch schon gesagt. Ein Gewächshaus.“
„Mehr als das. Eine erhebliche Summe Geld.“
„Danke.“ Sie erhob sich, beugte sich vor und unterschrieb.
„Sie müssen sich nicht bei mir bedanken. Sie sind es, die mir einen großen Gefallen tut.“
„Ich habe noch eine Frage.“
Er lächelte. „Nur eine?“
„Werde ich … ich meine, ich nehme an, dass ich weiterarbeiten werde.“
„Natürlich. Ich würde ohne Sie nicht zurechtkommen. Und nun machen Sie Schluss für heute, Emily. Gehen Sie zum Friseur, kaufen Sie sich ein neues Kleid. Wir essen heute Abend mit dem Aufsichtsratsvorsitzenden von Remsen Oil.“
„Wir?“ Ihr Stimme überschlug sich vor Überraschung. Würde sie sich jemals daran gewöhnen, Teil eines Wir zu sein?
„Ja. Ich hatte eigentlich vor, allein zu gehen, aber nun bin ich ja verlobt und da …“
Sie seufzte: „… müssen Sie mich mitnehmen.“
„Ja, er kommt mit seiner Frau, ich mit meiner Verlobten. Ich hole Sie um sieben Uhr ab.“
Sie nickte. Immer hatte sie Ben bedauert, wenn er nach Feierabend zu einem Geschäftsessen gehen musste, während sie sich darauf freute, einen Overall anzuziehen und in ihrem Garten zu arbeiten. Nun musste sie also auch ihre kostbare Freizeit opfern. Daran hatte sie nicht gedacht. Auch nicht an Kleiderkäufe und Friseurbesuche. Sie strich ihren dunkelblauen Kostümrock
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