Julia Gold Band 47
glatt und prüfte, ob der strenge Knoten, zu dem sie ihr Haar zusammengesteckt hatte, noch ordentlich saß. Kein Wunder, dass Ben ihr eine äußere Veränderung nahelegte. Sie sah aus wie die Assistentin und nicht wie die Verlobte von Scheich Ben Ali.
„Warten Sie“, rief er ihr nach. „Ich habe vergessen, wo Sie wohnen.“
Sie kam noch einmal zurück, schrieb ihm die Adresse auf und reichte ihm den Zettel. Dann verließ sie das Büro so früh wie noch nie in den vergangenen drei Jahren.
Noch lange nachdem sie gegangen war, saß Ben an seinem Schreibtisch und klopfte abwesend mit dem Füller gegen seine Kaffeetasse. Emily hatte den Vertrag unterzeichnet. Nun war es zu spät, von dem Abenteuer zurückzutreten. Mit einem Mal verstand er nicht mehr, wie er in dieses Schlamassel geraten war. Natürlich brauchte er eine Frau. Natürlich war Emily tüchtig und klug. Aber was wusste er schon von ihr? Was für ein Leben führte sie außerhalb der Bürozeiten?
Vielleicht hatte sie einen festen Freund, mit dem sie zusammenwohnte. Oder einen Zwinger voller Windhunde. Vielleicht zog sie im Keller Pilze oder hielt fünfundzwanzig Katzen wie eine alte Jungfer. Vielleicht hatte sie vor, alle mit in sein Penthouse zu nehmen, den Freund, die Windhunde, die Pilze und die Katzen. Er hatte keine Ahnung, wer sie war.
Auch wusste er nicht, was ihn in dieser Ehe erwartete. Er wusste nur, was ihn nicht erwartete. Sex. Er hatte Emily die Erleichterung angesehen, als sie erfuhr, dass Sex nicht zu den Abmachungen gehörte. Offenbar war ihr schon der Gedanke, mit ihm zu schlafen, unangenehm. Das kränkte ihn in seiner Männlichkeit, ja es erschütterte ihn geradezu. Auch wenn er fand, dass Sex alles noch viel komplizierter machen würde, als es ohnehin schon war.
Um Punkt sieben Uhr stand Emily in einem neuen ärmellosen Kleid aus schwarzem Crêpe in ihrem kleinen Wohnzimmer und wartete. Sie fühlte sich völlig verändert mit dem kurz geschnittenen Haar, den Perlenohrringen und der dazu passenden Halskette. Den Schmuck hatte ihr Peggy, ihre Freundin und Nachbarin, geliehen und ihr auch beim Make-up mit Rat und Tat zur Seite gestanden. Natürlich hatte Peggy Fragen gestellt, und Emily hatte sie wahrheitsgemäß beantwortet, ohne alles zu verraten. Ein letzter Blick in den Spiegel. Ja, sie hatte sich zu ihrem Vorteil verändert. Oder lag es daran, dass sie ohne Brille alles ein bisschen verschwommen sah?
Sobald Bens Wagen vor dem Haus hielt, überfiel sie Sorge, vielleicht zu verändert zu wirken. Vor allem sollte er nicht merken, dass sie ihm gefallen wollte. Mit klopfendem Herzen öffnete sie die Tür. Er sah wie immer umwerfend gut aus in seinem perfekt sitzenden dunklen Anzug. Aber er benahm sich seltsam, stand wie angewurzelt da und starrte sie sprachlos an.
„Möchten Sie nicht hereinkommen?“, fragte sie scheu. „Oder …“
Es war das erste Mal, dass er einen ihrer angefangenen Sätze nicht beendete. Er rührte sich nicht vom Fleck, sondern ließ seinen Blick von ihrem Gesicht zu ihren Fußspitzen wandern und von dort wieder hoch zu den braunen Locken. Sie hatte keine Ahnung, was er dachte. Wahrscheinlich, dass sie maßlos übertrieben hatte.
Emily wippte nervös auf ihren hochhackigen Sandaletten, Ben stützte sich mit einer Hand gegen den Türrahmen. Beide wussten nicht recht, was sie sagen sollte und waren erleichtert, als sein Handy klingelte. Er führte ein kurzes Gespräch. Danach war der Bann gebrochen. Ben trat über die Schwelle des Hauses seiner Verlobten.
Es war schon merkwürdig genug für ihn, eine Verlobte zu haben! Aber dass die Verlobte sich innerhalb eines Nachmittags in ein anderes Wesen verwandeln konnte, verwirrte ihn. Verschwunden war die vertraute schlichte Emily Claybourne. Vor ihm stand eine Fremde.
„Emily?“, fragte er und konnte nicht aufhören, die attraktive junge Frau anzustarren. Er war immer noch unfähig, in ihr seine Assistentin wiederzuerkennen, die er schätzte, weil sie so zuverlässig und gut arbeitete. Was war geschehen? Er hatte ein neues Kleid erwartet. Aber an so eins hatte er nicht gedacht. War es nicht ein bisschen zu eng und vorne zu weit ausgeschnitten? Er hatte vielleicht noch mit einer Spur Lippenstift gerechnet, zu Ehren des Aufsichtsratsvorsitzenden, mit dem sie essen gehen wollten. Aber sie hatte sich vollständig verändert, und er war sich nicht sicher, ob er damit einverstanden war.
Er mochte und respektierte die Emily, die er seit drei Jahren kannte. Er hoffte,
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