Julia Gold Band 47
dass sie am Montagmorgen wieder in seinem Büro erscheinen würde, denn die Frau, die vor ihm stand, zeigte viel zu viel von ihren Rundungen und ihren langen Beinen. Sie weckte unpassende Gefühle und machte ihn verlegen.
„Wer hat denn angerufen?“, fragte sie.
„Tom Spandler. Er hat für heute abgesagt. Er ist krank. Das Essen fällt aus.“
Sie nickte.
„Tut mir leid. Nun haben Sie sich ganz umsonst zurechtgemacht.“ Zurechtgemacht war wohl der falsche Ausdruck. Sie hatte sich verzaubert. „Wir könnten natürlich irgendwohin gehen.“
„Aber wir müssen nicht, oder?“
„Natürlich nicht. Was haben Sie stattdessen vor?“
„Ich weiß nicht genau. Mir ein Omelett machen wahrscheinlich.“
„Was für eins?“
„Oh, mit Pilzen vielleicht oder mit Käse. Kommt darauf an, was ich im Kühlschrank finde.“
„Hört sich gut an“, sagte er, ohne zu merken, wie wehmütig seine Stimme klang. Er hatte schrecklich lange nichts Einfaches mehr gegessen, was zu Hause zubereitet worden war.
Sie warf ihm einen kurzen neugierigen Blick zu. „Wenn Sie möchten, sind Sie herzlich zu einem Omelett eingeladen.“
„Ich möchte mich nicht aufdrängen. Sie haben sicher noch etwas vor.“
„Ich muss mich umziehen, das habe ich vor“, sagte sie. „Und ich will diese Kette loswerden.“ Sie hob die Arme und nestelte am Verschluss. Er beobachtete, wie der weiche Stoff des Kleides über ihren Brüsten spannte, und hielt den Atem an. Musste sie das hier vor ihm tun? Wahrscheinlich war es klüger, jetzt zu verschwinden. Doch statt sich zu verabschieden, trat er hinter sie und war ihr behilflich. Dabei streifte ihn ein Hauch von Parfüm. Emily benutzte Parfüm? Das hätte er in den drei Jahren, die sie zusammenarbeiteten, doch bemerken müssen! Es dauerte eine Ewigkeit, die Kette zu öffnen, denn in Emilys Nacken kringelten sich die Haare. Hatte sie denn immer schon Locken gehabt? Und wieso entdeckte er erst jetzt, wie schlank und anmutig sich ihr Hals bog? Es kostete ihn einige Anstrengung, nicht die seidige Haut zu berühren.
„Danke“, sagte sie atemlos, als er die Kette in ihre geöffnete Hand fallen ließ. „Ich bin gleich wieder da.“
Ben war immer noch unsicher, ob es richtig gewesen war, ihre Einladung anzunehmen. Er glaubte, dass sie halbherzig gemeint und nur aus Höflichkeit ausgesprochen war. Aber ohne Erklärung konnte er jetzt nicht mehr einfach weggehen. Er zog also seine Jacke aus, legte die Krawatte ab, schob die Hemdsärmel hoch und nutzte die Chance, sich ungestört umzusehen. Nichts deutete darauf hin, dass hier noch ein Mann wohnte. Stattdessen entdeckte er im Wohnzimmer ein großes Sofa mit einem hellen Überwurf, in der Ecke einen bequemen Sessel mit Fußschemel und daneben eine Stehlampe. Er stellte sich vor, wie Emily dort stundenlang zusammengerollt saß und las. Und überall standen Rosen in Vasen und erfüllten den Raum mit ihrem Duft.
Durch das geöffnete Fenster blickte er in den Garten. Keine Spur von Katzen oder einem Zwinger voller Windhunde. Stattdessen diese Rosenpracht. Von hier also stammten die Sträuße, mit denen Emily sein Büro schmückte. Nie war ihm in den Sinn gekommen, dass sie die Blumen in ihrem Garten pflückte. Wie wenig er sie doch kannte!
Am Zaun zum Nachbargrundstück wuchsen Kletterrosen. Dahinter tauchte nun ein Strohhut auf und darunter das runde Gesicht einer Frau. Sie hob erstaunt die Augenbrauen, als sie ihn am Fenster bemerkte. Dann lächelte sie und winkte ihm zu. Er winkte zurück.
Gerade war er dabei, ein gerahmtes Foto zu betrachten, als es klingelte. Er öffnete die Tür. Davor standen zwei Mädchen in braunen Uniformen.
„Guten Tag“, sagte die Kleinere mit den Zöpfen. „Möchte Ihre Frau Kekse von den Pfadfinderinnen kaufen?“
4. KAPITEL
Ben liebte Kinder. Er war verrückt nach seinen Nichten und Neffen, und seine Geschwister warnten ihn davor, später einmal seine eigenen Kinder ebenso zu verwöhnen. Deshalb traf es sich gut, dass er nicht einmal die Absicht hatte, richtig zu heiraten.
„Ich kaufe alle Kekse, die ihr habt“, sagte er.
Die Mädchen blickten sich an und kicherten. „Wir haben ungefähr zweihundert Schachteln dabei.“ Die Kleine mit der Zahnlücke zeigte auf den Kombi, der auf dem Bürgersteig parkte.
„Mehr nicht?“, fragte er, und die Mädchen begannen wieder zu lachen. Dann schrieb er einen Scheck aus, holte die Keksschachteln aus dem Wagen und stapelte sie in Emilys Hausflur. Die Mutter der Kinder
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