Julia Gold Band 47
eigenes Bett beanspruchte. Im Übrigen war sein Vater schon dabei, Emilys Gepäck in Bens Schlafzimmer zu tragen.
Sie war nicht verärgert, sie war am Rande der Erschöpfung. So viele Tage hatte sie sich verstellen müssen! Sie brauchte eine Atempause. Sie hatte gehofft, sich in Bens Wohnung erholen zu können. Ihr fehlte die Kraft, jetzt auch noch die glückliche Braut zu spielen. Obwohl seine warmherzige, freundliche Familie es verdient hätte. Alle waren offenbar glücklich, sie wiederzusehen.
Bens Mutter bereitete in der Küche einen gefüllten Lammbraten vor und eine Süßigkeit aus Sesam. Emily hätte ihr gerne dabei geholfen, aber sie durfte nicht. Also wanderte sie ruhelos von einem Raum zum anderen und fühlte sich verloren.
Beim Abendessen waren sie eine temperamentvolle Runde, die sich um den polierten Marmortisch im Esszimmer drängte. Emily zuliebe sprachen sie halb Arabisch, halb Englisch. Das Bemühen, sie mit einzubeziehen, machte Emily noch trauriger. Was würden diese liebenswerten Menschen sagen, wenn Ben und sie sich in einem Jahr scheiden ließen? Sie versuchte zu essen, aber ihr Magen war wie zugeknotet. Bens Mutter bot ihr hiervon und davon an, bis Emily sich immer schlechter fühlte. Schließlich erhob sie sich mit einer gemurmelten Entschuldigung und floh ins Schlafzimmer.
Sie hoffte, dass Ben besser erklären könnte, wie müde sie nach der Reise war. Sie konnte sich lebhaft vorstellen, mit welchen Blicken sie ihn verfolgen würden, wenn er später nachkäme. Klar, was sie vermuteten, wenn er die Tür des Schlafzimmers hinter sich verschloss.
Schließlich kam Ben und fand sie am Fenster, von wo aus sie die wandernden Nebelschwaden unter der Golden Gate Bridge beobachtete.
„Es tut mir leid“, sagte er. „Ich habe nicht damit gerechnet, dass sie noch da sind. Vielleicht könnte ich später auf die Couch …“
„Das geht nicht. Deine Eltern würden sich sehr wundern.“
„Morgen ist der Spuk vorbei. Und wenn ich sie alle im Ritz Carlton unterbringen muss“, murmelte er.
„Mach dir keine Sorgen, es ist in Ordnung.“ Emily setzte sich auf den Bettrand und streifte die Schuhe ab. „Dein Bett ist groß genug für uns beide. Wir werden uns nicht in die Quere kommen.“
Er nickte und verschwand im Bad.
Es war Zeit, dass sie ihre Angst überwand, mit ihm das Bett zu teilen. Ben war ein Gentleman. Er würde nichts tun, was sie nicht wollte. Diese Nacht war sie auch vor den eigenen Wünschen sicher. Sie wollte nur noch unter die Decke kriechen und schlafen. Mindestens eine Woche lang.
Als sie aus dem Badezimmer kam, wo es nach Bens Rasiercreme duftete, lag er schon im Bett. Er hatte die Decke bis über die Hüften gezogen und die Augen geschlossen. Sie hoffte, dass er schon schlief. Sein Oberkörper war nackt. Sie erinnerte sich, wie es war, als sie am Morgen nach der Hochzeitsnacht, die keine gewesen war, seine Brust gestreichelt hatte.
Rasch löschte sie das Licht, legte sich auf ihrer Seite des Bettes an den äußersten Rand und lauschte. Vor ihrer Tür hörte sie leise Schritte und Stimmen. Sie wusste, was alle da draußen dachten. Sie wusste, was sie sagten, auch wenn sie Arabisch sprachen. Sie flüsterten:
„Sie hat so müde ausgesehen. Meinst du, sie ist schwanger?“
„Pst, sie können dich hören.“
„Sie ist ganz anders als seine früheren Freundinnen.“
„Und wenn er sie nicht liebt?“
„Er wird sie lieben, Farida, er wird sie lieben.“
Nein, er wird mich nicht lieben, dachte sie, und eine Träne lief ihr die Wange hinunter. Dann eine zweite. Er wird mich nicht lieben.
„Emily?“ Bens Stimme war so tief und dunkel wie die Nacht vor dem Fenster. „Weinst du?“
9. KAPITEL
„Nein“, sagte sie, und die Tränen liefen weiter, ohne dass sie etwas dagegen tun konnte. All die Enttäuschung der vergangenen Tage brach aus ihr heraus. Sie steckte das Gesicht in das Kissen, um das Schluchzen zu ersticken.
Er setzte sich auf. „Was ist los?“
„Nichts“, stieß sie hervor, aber sie weinte umso heftiger, je stärker sie versuchte, es zu unterdrücken.
Ben stand auf und setzte sich neben Emily auf den Bettrand. Dann drehte er sie sanft zu sich herum. „Erzähl mir die Wahrheit. Irgendetwas bedrückt dich doch.“
Sie presste die Lider zusammen, doch sie wusste genau, wie er sie jetzt mit gerunzelter Stirn anschaute. Er hasste es, belogen zu werden.
Sie setzte sich auf, blickte aber geradeaus, um nicht sein Gesicht, seine nackte Brust oder sonst etwas
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