Julia Gold Band 51
ihr zu reden, hatte Ali diktatorisch gedroht und die Diskussion dadurch beendet, dass er einfach gegangen war.
Sie setzte sich auf den Rand des Brunnens und betrachtete nachdenklich ihr Spiegelbild im Wasser, zu dem sich plötzlich ein zweites gesellte. Als sie aufblickte, entdeckte sie hinter sich Yasir.
„Verraten Sie mir, was Ihr melancholisches Lächeln zu bedeutend hat?“, fragte er fröhlich. „Sind Sie glücklich oder traurig?“
Sie seufzte. „Beides.“
„Gehen wir ein wenig spazieren“, schlug er vor, und sie folgte ihm zu einem der gewundenen Pfade, die durch den Garten führten. „Behandelt Ali Sie nicht gut?“, erkundigte sich Yasir mitfühlend. „Soweit ich gehört habe, schätzt er Sie sehr und umgibt Sie mit jedem erdenklichen Luxus.“
„Aber Luxus bedeutet mir nichts! Ich möchte meine Freiheit wiederhaben!“
„Die haben Sie hier doch“, meinte er, sich nach allen Seiten umblickend. „Ich sehe nirgendwo Wächter.“
„Wozu auch? Wohin könnte ich hier, mitten in der Wüste, schon fliehen?“
„Da haben Sie allerdings recht. Aber wollen Sie denn wirklich weg von Ali?“
„Nicht unbedingt“, gab sie zu. „Wenn ich frei wäre, würde ich wahrscheinlich zu ihm zurückkommen.“
„Sie wollen sich nur frei entscheiden können, stimmt’s?“
„Genau!“, rief sie. „Wieso verstehen Sie mich und er nicht?“
„Mein Cousin Ali ist zwar ein prima Kerl, aber er ist daran gewöhnt, stets seinen Willen durchzusetzen.“
„Sie sagen es!“, bestätigte Alexis seufzend.
„Dabei passen Sie und er so gut zusammen“, meinte Yasir. „Es wäre schade, wenn er durch seine Dickköpfigkeit alles kaputtmachen würde. Ich habe nicht weit von hier ein kleines Haus. Wenn Sie wollen, können Sie von dort die britische Botschaft anrufen.“
„Ist das Ihr Ernst?“
„Aber ja. Kommen Sie mit.“
Er fasste sie bei der Hand und zog sie zu einem schmalen Pfad, der direkt zu seinem „kleinen Haus“ führte, das eher einem kleinen Palast glich. Es war außen mit Stuck verziert und passte mit seiner prunkvollen Einrichtung nicht zu der kargen Wüstenlandschaft, die es umgab.
„Das Telefon ist oben“, sagte Yasir, als Alexis sich suchend umsah.
Während sie ihm die Treppe hinauf folgte, konnte sie ihr Glück kaum fassen. Doch im nächsten Moment zögerte sie und war versucht, wenigstens noch einige Zeit diesen wunderbaren Traum von Liebe und Glück mit Ali zu leben. Schnell rief sie sich wieder zur Ordnung. Sie durfte jetzt nicht schwach werden.
„Hier hinein“, sagte Yasir. Er öffnete eine Tür und zog Alexis in den Raum.
Sie betraten ein überladen eingerichtetes Schlafgemach mit goldenen Seidentapeten und schweren roten Brokatvorhängen. Nur eine Wand war in schlichtem Weiß gestrichen, dafür hingen an ihr Messer, Dolche, Schwerter und alle möglichen anderen Waffen. Alexis fühlte sich in dieser martialischen Umgebung reichlich unwohl, und das schwere süßliche Parfüm, das in der Luft hing, behagte ihr ebenfalls nicht.
Aber sie wollte ja nur kurz telefonieren. Sie entdeckte den Apparat neben dem Bett und nahm den Hörer ab. „Wie komme ich an die Nummer der britischen Botschaft?“, fragte sie Yasir.
Da er nur lächelte, dachte sie, er habe sie nicht verstanden, doch als sie den Hörer ans Ohr hielt und keinen Ton vernahm, wurde sie stutzig. Und dann bemerkte sie, dass Yasir das Ende des Kabels in der Hand hielt. Er ging zur Tür und drehte den Schlüssel um.
Erst jetzt fiel ihr auf, dass sein Lächeln seltsam verzerrt wirkte.
„Ich möchte den Botschafter anrufen“, sagte sie energischer, als ihr zu Mute war.
„Leider passt mir das nicht. Ich möchte lieber, dass Sie hierbleiben – bei mir. Wenn ich mit Ihnen fertig bin, kann Ali Sie zurückhaben, falls er Sie dann noch will, was ich bezweifle.“
Wie hatte sie ihn jemals für einen charmanten jungen Mann halten können? Sein gut aussehendes Gesicht war nun zu einer teuflischen Fratze verzerrt.
„Sie sind wahnsinnig“, flüsterte sie und wich vor ihm zurück. „Was glauben Sie, was Ali mit Ihnen machen wird?“
„Oh, er wird zuerst sehr verärgert sein, doch wenn ich mich eine Weile verdrücke, wird er alles schnell wieder vergessen. Es ist lächerlich, anzunehmen, die Männer in diesem Land würden sich wegen einer Frau in die Haare geraten.“
„Aber Ihnen geht es ja gar nicht um mich“, sagte sie, um Zeit zu gewinnen.
„Erraten. Sie sind für mich nur ein Werkzeug. Ali wird über Sie
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