Julia Gold Band 51
keine Antwort zu erwarten, und so wechselte diese rasch das Thema und fragte: „Wird das Waisenhaus auch mittels der Erlöse aus den Spielkasinos finanziert?“
„Nein, das Geld dafür stammt aus dem Londoner Immobilienfonds.“
Nach ihrer Rückkehr in den Palast ließ sich Elise von Alexis noch in allen Einzelheiten erzählen, wie sie nach Kamar gekommen war. Alis Mutter hörte aufmerksam zu und sagte am Ende von Alexis’ Bericht nur: „Wie reizend!“
Nachdem die beiden Frauen zusammen Tee getrunken hatten, schützte Elise Müdigkeit vor und sagte, sie wolle sich etwas hinlegen. Kaum hatte Alexis jedoch das Zimmer verlassen, rief Elise ihren Sohn an und bat ihn, sofort zu ihr zu kommen.
„Mein Sohn, bist du von allen guten Geistern verlassen?“, empfing sie ihn ungehalten. „Diese junge Frau schreibt für renommierte internationale Zeitungen. Sie hat Freunde an höchster Stelle, und du hast sie einfach entführt! Willst du einen internationalen Konflikt heraufbeschwören?“
„Nun übertreib nicht, Mutter“, tat er ihren Vorwurf mit der ihm eigenen Arroganz ab. „Sie sind alle auf unser Öl angewiesen.“
„Nennst du so etwas die Hohe Schule der Diplomatie?“, fragte sie scharf, und er hatte immerhin den Anstand, rot zu werden.
„Du verstehst das nicht, Mutter. Alexis und ich haben die gleiche Wellenlänge. Wir haben uns auf Anhieb verstanden, als wir uns im Spielkasino kennengelernt haben.“
„Und du hast dich sofort in sie verliebt und sie deshalb mit nach Hause genommen“, meinte Elise ironisch.
„Nein, natürlich nicht. Zuerst wollte ich mit ihr nur eine angenehme Nacht verbringen.“
„Tatsächlich?“ In Elises Stimme schwang ein grimmiger Unterton mit. „Erzähl weiter, ich bin sehr gespannt!“
„Nun ja, während wir aßen und uns unterhielten, war sie so hinreißend witzig und geistreich, dass ich immer mehr von ihr bezaubert war. Wir stellten fest, dass wir beide in unserer Kindheit gern Märchen gelesen haben, und … wir kamen uns näher. Aber sie wollte mir ihren Namen nicht verraten. Dann erhielt ich einen wichtigen geschäftlichen Anruf und musste kurz in mein Büro. Als ich wenig später zurückkam, war sie weg.“
Ein Lächeln umspielte Elises Mundwinkel. „Sie ist einfach gegangen?“
„Ja!“, bestätigte Ali zornig. „Einige Tage danach tauchte sie wieder auf. Ich hatte zugesagt, einem Journalisten ein Interview zu geben, und dachte, es handle sich um einen Mann, aber es war Alexis. Natürlich habe ich ihr das Interview verweigert.“
„Natürlich“, bestätigte Elise trocken.
„Dann flog ich nach New York, und sie hat sich währenddessen als Hausmädchen bei mir eingeschmuggelt.“
„Deshalb hast du beschlossen, ihr eine Lektion zu erteilen. Ich frage mich, warum? Wegen ihrer Methoden oder weil sie dich zurückgewiesen hat?“
Ali warf seiner Mutter einen finsteren Blick zu, enthielt sich aber eines Kommentars.
„Da du keinen internationalen Konflikt befürchtest, brauchst du dir also nur noch wegen Mr Howard Marks Sorgen zu machen“, fuhr Elise fort.
„Wer soll das denn sein?“
„Soweit ich weiß, ist er Miss Callams Verlobter.“
„Unmöglich!“, sagte Ali. „Wenn das wahr wäre, hätte sie niemals …“ Er verstummte jäh, als hätte er bereits mehr verraten, als er wollte.
„Wahrscheinlich hätte ich es dir schon gestern sagen sollen, aber ich wollte mit dieser jungen Frau erst einmal sprechen und sehen, was für ein Mensch sie ist. Mr Marks arbeitet in einer Bank und war in letzter Zeit Miss Callams ständiger Begleiter. Offenbar will er sie heiraten und ist allem Anschein nach eine sehr gute Partie. Zugegeben, ich bin mit den heutigen Verhältnissen in England nicht mehr so vertraut, aber zu meiner Zeit war eine gute Heirat für ein junges Mädchen sehr wichtig.“
„Wieso hat sie mir kein Wort von diesem Mann erzählt?“
„Soweit ich es beurteilen kann, hast du ihr dazu wenig Gelegenheit gegeben.“
„Die wird sie jetzt haben!“, sagte Ali grimmig und eilte davon.
Die Hände hinter dem Kopf verschränkt, lag Alexis in ihrem Salon auf dem Diwan und grübelte darüber nach, was sie an diesem Tag alles erfahren hatte. Ihr Bild von Ali als selbstsüchtigem Playboy war falsch gewesen. Anders als alle Welt dachte, war er ein fürsorglicher Landesvater, und das erfüllte sie mit tiefer Freude.
Sie hoffte, ihn bald zu sehen. Andererseits hatte sie aber auch dafür Verständnis, dass er sich an diesem Tag ganz seiner Mutter
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