Julia Gold Band 53
endlich eigenständig.“
„Na ja, ich muss zugeben, dass du gar nicht so schlimm aussiehst, wie ich nach ihrem Gehabe gedacht hatte“, schlug Tim den üblichen neckenden Ton an. „Dabei hatte ich schon überlegt, ob ich für deinen Besuch einen Rollstuhl mieten soll.“
„Das wird bestimmt nicht nötig sein.“
„Also nur einen Krückstock?“
„Nur wenn ich dich damit verprügeln soll.“
„Dir geht’s also tatsächlich besser“, stellte Tim vergnügt fest.
„Mir blieben nur zwei Möglichkeiten: schnell wieder gesund zu werden oder vor Langeweile zu sterben. Mum ließ mich bestenfalls alte Zeitschriften lesen“, berichtete Rose, während ihr Bruder sie zu seinem staubigen, drei Jahre alten grünen Rangerover führte. „Und als sie merkte, dass ich mir die Nachrichten ansah, drohte sie mir damit, mir den Fernseher wegzunehmen.“
„Du übertreibst, Rose.“
„Aber nein!“ Dann gab sie zu: „Na ja, vielleicht ein bisschen.“ Sie lächelte. „Aber ich bin wirklich nicht müde. Der Privatjet eines Emirs unterscheidet sich von einem Touristenflieger etwa so wie ein Fahrrad von einem Rolls-Royce.“ Schalkhaft setzte sie hinzu: „Diese Art zu fliegen lernen gewöhnliche Sterbliche gar nicht kennen, Tim.“ Sie atmete die warme Wüstenluft tief ein. „Das ist es, was ich brauche. Lass mich erst mal aus der Thermounterwäsche steigen, dann bin ich nicht mehr aufzuhalten.“
„Da muss ich dich warnen, Schwesterherz. Man hat mir strengstens befohlen, darauf zu achten, dass du dich körperlich nicht überanstrengst.“
„Spielverderber. Dabei hatte ich erwartet, von einem Wüstenprinzen auf einem feurigen schwarzen Hengst entführt zu werden“, erwiderte Rose im gleichen Ton. Als ihr Bruder von der Idee gar nicht begeistert zu sein schien, drückte sie beruhigend seinen Arm. „War doch nur ein Scherz. Gordon hat mir als Bordlektüre ein Exemplar von Der Scheich mitgegeben.“ Ihr Nachrichtenredakteur besaß einen merkwürdigen Humor. Oder vielleicht war es nur ein Vorwand gewesen, um ihr unter dem wachsamen Blick ihrer Mutter die Plastiktüte mit dem Aufdruck des Buchladens in die Hand zu drücken, in der sich das Informationsmaterial befand, das Gordon über die politische Situation in Ras al Hajar zusammengestellt hatte. Rose klopfte auf die Tasche, die sie über der Schulter trug. „Aber ich bin mir nicht sicher, ob es eine Anregung oder Warnung sein soll.“
„Willst du damit sagen, du hast es tatsächlich gelesen?“
„Es ist ein klassischer Frauenroman“, bemerkte sie trocken.
„Da kann ich nur hoffen, dass du ihn als Warnung verstehst. Ich habe meine Anweisungen von Ma, und glaub mir, Reiten jeder Art ist gestrichen. Du darfst am Pool im Schatten liegen und vormittags etwas Seichtes lesen, aber nur, wenn du versprichst, nicht ins Wasser zu gehen …“
„Das geht jetzt schon seit Wochen so, Tim. Ich verspreche überhaupt nichts.“
„Nur wenn du versprichst, nicht ins Wasser zu gehen“, wiederholte ihr Bruder gespielt streng, „und am Nachmittag ein Nickerchen machst.“ Sanfter setzte er hinzu: „Du hast uns allen einen ganz schönen Schrecken eingejagt, weißt du. Mitten in den Abendnachrichten zusammenzubrechen …“
„Das war sehr unprofessionell“, gab Rose zu. „Man erwartet von mir, dass ich Nachrichten bringe, und nicht, dass ich welche mache …“ Sie verstummte und blickte interessiert der langen schwarzen Limousine mit den dunklen Fenstern nach, die den Flughafen verließ.
Ihr war klar, dass der Privatjet des Emirs, in dem sie auf Ersuchen ihres Bruders hatte mitreisen dürfen, wegen des Mannes geflogen war, der in der Limousine saß. Er trug einen eleganten dunklen Anzug und ein dezent gestreiftes Hemd mit einer Seidenkrawatte und hätte der Vorstandsvorsitzende eines großen Konzerns sein können, der in letzter Minute an Bord gekommen war. Aber das war er nicht.
Ihre Blicke waren sich begegnet, und sie hatten sich in Sekundenschnelle erkannt, ehe die Stewardess die Kabinentür schnell geschlossen hatte.
Schade, dachte Rose. Prinz Hassan al Rashid gehörte zu den Leuten, die sie unbedingt kennenlernen musste. In dem Stapel von Fotos, die sie gesehen hatte, war sein markantes Gesicht mit den durchdringenden grauen Augen das Einzige gewesen, das sie hatte aufmerken lassen. Wenn sie auf eine Romanze mit einem Scheich auf einem rassigen Araberhengst aus gewesen wäre, hätte dieser Mann genau ihrer Vorstellung entsprochen.
Nachdem er die Maschine
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