Julia Gold Band 53
zu und führte sie schlecht gelaunt zu einem schmalen Eingang in der rosaroten Lehmwand, stieß die Tür auf und ließ sie eintreten. Der winzige, gepflasterte Hof war nur mit einer schmiedeeisernen Kuppel überdacht, durch die man den Himmel sehen konnte. Rund um diesen kleinen Hof lagen die schlichten, bis zur halben Höhe in kühlen Blautönen gekachelten Räume. Eine Steintreppe führte hinauf zum Dach.
„Das hier ist ein typisch marokkanisches Haus“, bemerkte Khalil. „Sie sind fast immer um einen zentralen Garten oder Hof herum gebaut und unterscheiden sich eigentlich nur in der Größe. Du wirst genau den gleichen Grundriss im Palastmuseum finden.“
Zufrieden lächelnd erkundete Hannah die einzelnen Räume, gefolgt von Khalil, der den Koffer im Schlafzimmer abgestellt hatte. Erleichtert entdeckte sie ein normales, europäisches Doppelbett mit Steppdecke. Der Wohnraum dagegen war teilweise orientalisch möbliert mit leuchtend bunten Ottomanen, niedrigen Tischchen, marokkanischen Teppichen – und einem Fernseher. In der winzigen Küche war gerade genug Raum für eine kleine Spüle, einen Herd und einen schmalen, hohen Wandschrank, in dem sich stark duftende Gewürze und ein paar Dosen mit Lebensmitteln befanden. Neben dem Herd fand gerade noch ein Stuhl Platz. Das war natürlich primitiv, enthielt jedoch alles, was sie brauchte.
Plötzlich überlief sie ein kalter Schauer. Khalil zeigte ihr gerade ein landesübliches Kochgeschirr und versprach ihr, eines Tages für sie ein marokkanisches Lammgericht zuzubereiten.
„Du?“, lachte sie ungläubig und hielt sich gerade noch am Spülbecken fest, als eine neue Welle von Schwindel sie überflutete.
„Hannah …“
Der besorgte Klang seiner Stimme und seine Hände auf ihren Schultern waren kaum zu ertragen, aber sie musste sich einen Augenblick an ihm festhalten. Die Nähe seines kraftvollen Körpers allerdings ließ ihr noch schwindliger werden, und ihr Herz pochte so rasend schnell, dass sie in Panik geriet.
„Alles in Ordnung“, zwang sie sich zu versichern. „Es ist nur die Reise, und die letzten Tage waren so hektisch. Kaum Zeit, einmal zu sitzen. Oder zu essen.“ Sie lachte matt. Die arg verspätet durchgeführten Impfungen erwähnte sie lieber nicht.
Seine Finger massierten leicht ihre Schultern. Als eine seiner stützenden Hände jedoch ihren schmerzenden Oberarm berührte, zuckte sie zusammen.
„Lass mich in Ruhe!“, fuhr sie ihn an.
„Sachte, sachte!“, beschwichtigte er, trat allerdings zwei Schritte zurück und entfernte sich dann in Richtung Innenhof. „Soll ich dir ein Abendessen bringen lassen?“
Hannah wollte nur endlich allein sein, sich niederlegen und den Fieberanfall hinter sich bringen.
„Nein, danke, ich bin schrecklich müde und etwas gereizt. Ich möchte nur noch auspacken und dann schlafen gehen.“
„Dann komme ich morgen früh gegen zehn Uhr wieder“, meinte er fröhlich. „Ich werde dir den Markt zeigen und dich in die Kunst des Handelns einweihen. Bis morgen also.“
Hannah nahm ihn nur noch durch dichten Nebel wahr, und ihr Kopf drohte vor Schmerz zu zerspringen. Wenn er nur endlich gehen würde!
„Gute Nacht, Khalil“, brachte sie mühsam heraus und wandte sich dann wieder dem Waschbecken zu. Sie hörte, wie er ihr leise eine gute Nacht wünschte und wie seine Schritte sich dann entfernten.
Taumelnd erreichte sie die Außentür, verschloss und verriegelte sie und tastete sich dann an der Mauer des Innenhofes lang zu ihrem Schlafzimmer.
Es fehlte ihr selbst die Energie, ihre Kleider auszuziehen. Vor Khalil das Gesicht zu wahren hatte all ihre Kraft gekostet. Bei dem Versuch, die Jacke des Kostüms abzustreifen, schmerzte ihr Arm so sehr, dass sie aufschrie und sich entschloss, in ihrer leichten Bluse und dem Rock zu Bett zu gehen. Am Morgen, nach einer heißen Dusche, würde sie sich schon besser fühlen.
Mühsam drehte sie sich auf die rechte Seite. Bei allem Schmerz war es ihr eine Genugtuung, jetzt wenigstens zu wissen, dass nicht Khalil ihr Herz zum Rasen und ihren ganzen Körper zum Glühen gebracht hatte, sondern dass daran ihre Impfungen die Schuld trugen.
Gegen ihn bin ich also immun, dachte sie erleichtert.
3. KAPITEL
Es wurde für Hannah eine schreckliche Nacht. Sie konnte kaum schlafen, ihr gesamter Körper schmerzte wie bei einer Grippe, und in ihrem Kopf stach und dröhnte es fürchterlich.
Mitten in der Nacht schleppte sie sich in die kleine Küche, wo sie in einer Flasche etwas
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