Julia Gold Band 53
Handknöchel wurden weiß, und er sah starr geradeaus. Seine Anspannung galt jedoch dem lebhaften Straßenverkehr. Mit seiner Antwort ließ er sich Zeit, bis er einem Eselskarren direkt vor ihnen geschickt ausgewichen war. Mit klopfendem Herzen und trockenem Mund wartete sie. Entsetzt und erstaunt musste sie feststellen, wie wichtig ihr diese Frage war. Warum nur war die Vorstellung ihr so schrecklich, eine andere Frau könnte ihn berühren, ihn küssen, seine Zärtlichkeiten genießen?
Sie zwang sich, das Leben auf der Straße angeregt zu betrachten und sich damit von ihren Gefühlen abzulenken.
Sie fuhren jetzt eine elegante, breite Allee entlang, auf der sich Fußgänger in moderner europäischer Kleidung, der eine oder andere Tourist und traditionelle Marokkaner in ihren Kapuzengewändern bunt mischten. Das Leben dort draußen nahm an diesem warmen Nachmittag angenehm langsam seinen Gang. Die Straßencafés waren bis zum letzten Platz besetzt mit lächelnden und entspannten Menschen, genau wie sie es sich vorgestellt hatte. Umso bewusster empfand sie die inzwischen wieder gespannte Atmosphäre im Auto.
„Ich bin nicht verheiratet.“
„Aha, war keine gut genug?“, versuchte sie zu scherzen, die Anspannung der letzten Minuten klang jedoch noch so deutlich im harten Ton ihrer Frage nach, dass sein Gesicht sich verfinsterte. Sie hätte sich selbst ohrfeigen können.
„Verzeih, es sollte ein Scherz sein“, entschuldigte sie sich schnell. „Ich habe ja schließlich auch nicht geheiratet.“
„Aha, keiner gut genug?“, murmelte er.
Sie zuckte zusammen, musste dann jedoch lachen. „Die Runde geht an dich.“
„Ich wusste gar nicht, dass wir miteinander kämpfen.“
„Offenbar können wir nicht anders.“
Seine weißen Zähne blitzten. „Das stimmt. Warum nur?“
Hannah versuchte, sich auf das Gespräch zu konzentrieren. „Eigentlich war ich mehr interessiert daran, ob es hier für einen Mann in deinem Alter nicht ungewöhnlich ist, noch nicht verheiratet zu sein“, fragte sie dann.
Erstaunt zog er die Brauen hoch. „Mit dreißig? Zugegeben, vor noch gar nicht langer Zeit war es üblich, sehr jung zu heiraten. Meine Mutter heiratete das erste Mal mit dreizehn. Ich selbst wurde geboren, kurz nachdem mein Vater starb, und bin das jüngste von sechzehn Kindern.“
„Sechzehn?“ Hannah war schockiert. „Die arme Frau!“
„Eine typisch westliche Reaktion“, spottete er. „Dein Mitgefühl ist überflüssig. Sie war sehr glücklich mit ihrem Leben.“ Sein Gesicht wurde sanft, als er fortfuhr: „Wir lieben Kinder, sie sind für uns ‚die Frucht des Lebens‘.“
Hannah musste ihren Blick schnell von ihm abwenden, denn Männer, die bei dem Gedanken an Kinder weich wurden, rührten an ihr Herz.
„Heute jedoch“, fuhr er fort, „heiraten wir etwa im gleichen Alter wie ihr in England. Ich gelte also noch nicht als hoffnungsloser Junggeselle“, schloss er lächelnd.
„Dabei hat eure Gesellschaft doch sehr strenge Moralvorstellungen“, wandte sie ein. „Ich dachte, sehr junge Ehen seien notwendig, um …“ Sie zögerte.
„Um den unerwünschten Ausbruch unserer leidenschaftlichen Natur zu hemmen, meinst du?“, vollendete er ihre Frage. „Du hast recht, für kräftige junge Männer ist das schon ein Problem. Aber sie werden schon damit fertig.“
Sie errötete unter seinem Blick, mit dem er sie zu bitten schien, wenigstens ihm in seiner Bedrängnis zu helfen.
„Deine speziellen Probleme gehen mich nichts an“, wies sie ihn mit einstudiert wirkender Entrüstung zurück. „Kannst du an gar nichts anderes denken?“
„Nicht in diesem speziellen Augenblick“, gab er fröhlich lachend zu und schenkte ihr einen weiteren begehrlichen Blick. Hannah seufzte übertrieben laut auf.
„Dann versuche es doch wenigstens, und manövriere bitte das Gespräch nicht immer zurück zu deinem Lieblingsthema.“ Sie ignorierte sein leises Lachen und fragte weiter: „Wie würdest du deine Ehefrau behandeln? Müsste sie Djellaba und Schleier tragen?“
„Das käme darauf an“, antwortete er vorsichtig. „Wenn sie so aussähe wie du, würde ich wünschen, dass sie so lebt wie meine Mutter.“
„Du würdest sie mit sechzehn Kindern in Trab halten?“ Über Khalils Mutter wusste sie so gut wie nichts, denn auch Dermot hatte nie von ihr gesprochen.
„Natürlich wünsche ich mir auch Kinder, aber das meinte ich nicht. Ich wollte sagen, dass man eine Erscheinung wie dich hinter Schloss und
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