Julia Gold Band 53
in seinen letzten Momenten nicht einmal sie gerufen, sondern den Namen der Heldin seines ersten Erfolgsromans.
Von diesem Augenblick an regelte Khalil alles und ignorierte sie völlig. Sie konnte nicht weinen, ihr Gesicht erstarrte zur kühlen Maske. Alles, was sie geliebt hatte, war in dieser Nacht gestorben, und ihre Gefühle waren wie tot. Der Weg zu ihrem Herzen war verschlossen.
Reporter und Fotografen belagerten das Haus. Sie bewegte sich wie in einer mechanischen, unwirklichen Welt. Widerspruchslos nahm sie das Beruhigungsmittel, das der Arzt ihr verordnete, und ebenso gleichgültig ließ sie sich von der Haushälterin als Stärkung für das Begräbnis etwas Brandy einflößen. Nach so langer Zeit der schweren Verantwortlichkeit überließ sie es jetzt gern anderen, Entscheidungen zu treffen.
Die Reporter taten ihr Bestes, Dermots Beerdigung in einen Zirkus der Sensationen zu verwandeln, und zu Khalils großem Ärger konzentrierte sich ihre Aufmerksamkeit auf Hannah, die schöne, junge Frau, die eine literarische Legende geliebt hatte.
Neben dem offenen Grab umklammerte sie eine einzelne rote Rose, die sie auf den Sarg zu werfen versuchte, sie stolperte jedoch und wäre sicherlich hingeschlagen, wenn Khalil sie nicht aufgefangen hätte. Seit jener Nacht waren sie sich nicht mehr so nah gekommen. Die Kameras klickten.
„Du betrunkene Schlampe!“, zischte Khalil und wandte angewidert sein Gesicht ab, um ihrem nach Brandy riechenden Atem auszuweichen.
„Du wagst es!“, schrie sie ihn an, schlug nach ihm und versuchte, sich aus seinem Griff zu befreien. „Was weißt du schon von mir? Was …“
„Halte dich zurück“, knurrte er sie leise an und hielt sie fest. „Wir alle kennen deinen Lebenswandel, und ich weiß, dass du getrunken hast. Unter den Reportern werden schon Wetten abgeschlossen, wer dein nächstes Opfer wird. Vergiss nicht, ich habe dich bei Dermot gesehen, und er selbst hat auch nicht anders über dich gesprochen als ich. Sei von Allah verflucht, Hannah, für das, was du mir angetan hast!“
„Lass mich los!“ , schrie sie mit aller Kraft. Die Fotografen hatten sich durch die Trauergäste bis zum Grab gekämpft und ließen einen Regen von Blitzlichtern auf sie niederprasseln. Vergeblich versuchte sie, ihr Gesicht zu verbergen. „Khalil, bitte!“, klagte sie. „Ich kann das hier nicht ertragen!“
„Und er? Was musste er ertragen! Du hast ihn bewusst geschwächt mit deinem jungen Körper, deinen Partys, deinen Gelagen …“
„Das ist nicht wahr!“, schrie sie, nun völlig außer sich. „Ich habe ihn geliebt! Ich habe ihn wirklich geliebt!“ Unter Tränen brach sie neben dem Grab zusammen.
Das Begräbnis machte Schlagzeilen. Wochenlang konnte man Tag für Tag neue Enthüllungen lesen, und Hannah erfuhr, dass Khalil im Gespräch mit den Journalisten gesehen wurde. Sie floh zu Frankie in die Anonymität Londons und lernte, innerlich hart zu werden und die Verleumdungen zu ignorieren.
Dermots Gut ging in den Besitz der Krebshilfe über, wie Hannah es erwartet hatte. Sie erbte einen Smaragdring, bittersüße Erinnerungen und den unvergänglichen Hass seines Stiefsohns, des einzigen Mannes, den sie außer ihm je geliebt hatte.
4. KAPITEL
Entschlossen erhob sich Hannah aus dem Sessel und schüttelte die Tagträume und Erinnerungen ab. Wenn Khalil am Abend kam, um ihr den Souk zu zeigen, sollte er sie stark und selbstbewusst antreffen.
Der Kuss am Nachmittag auf dem Dach war als Unfall zu werten. Er hatte ihre vorübergehende Schwäche ausgenutzt. Dass er sie begehrte, hatte er ihr oft genug gezeigt. Sie musste vorsichtiger mit ihm sein.
Dabei konnte sie ihm eigentlich keine Vorwürfe machen. Nur zu gern war sie auf seine Zärtlichkeiten eingegangen. Er war eben wie alle anderen Männer auch und nahm, was er bekommen konnte. Aber sie würde ihn eines Besseren belehren. Er würde erfahren, dass sie weder mit Verführungskünsten noch mit Drohungen in die Knie zu zwingen war. Andere Männer, die ihren Charme an ihr probiert hatten, mussten schließlich auch aufgeben.
Die Schwierigkeit war, dass sie ihm in den kommenden zwei Monaten kaum würde ausweichen können. Sie war auf ihn angewiesen und musste sich in ihren Geschäften auf ihn verlassen können.
Bisher konnte sie sich gegenüber seinen Annäherungen nicht gerade besonderer Standhaftigkeit rühmen. Am besten wäre es, wenn er sie so abstoßend fände, dass er auf jeden weiteren Verführungsversuch verzichten würde und
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