Julia Gold Band 53
ehrlich, das war alles falscher Zauber.“
„Wie kannst du es wagen!“, rief Hannah entrüstet. „Besser als du war er allemal!“
„Er war starrsinnig und selbstsüchtig, und er schuf bewusst ein Bild von sich selbst, hinter dem er sich dann bequem verstecken konnte.“
„Aus dir spricht der blanke Neid!“, antwortete sie aufgebracht.
„Wir scheinen schon wieder zu streiten“, bemerkte Khalil.
Ärgerlicherweise musste sie ihm recht geben. Mühelos hatte er es wieder geschafft, sie aus der Fassung zu bringen, und nach seinem Schmunzeln zu urteilen, war das auch seine Absicht gewesen. Dieser Mann konnte einen zum Rasen bringen!
„Dann lass uns das Thema Dermot vermeiden“, sagte sie mit sanfter Stimme. „Wir bleiben besser beim Geschäftlichen. Einverstanden?“
„Einstweilen“, lenkte er ein und warf ihr dabei einen drohenden Blick zu.
Für eine Weile war es still in dem Wagen. Sie bogen in die Bab Nkob ein, deren Lichterglanz sich zauberhaft von dem tiefschwarzen Nachthimmel abhob, und erreichten schon bald einen Platz, der, wie Hannah aus den Reiseführern wusste, der Djemaa el-Fna sein musste, ein Markt, wie es keinen zweiten auf der Welt gab.
Auf der Stelle war sie begeistert von dem farbenfrohen Durcheinander und der exotischen Pracht. Sie konnte es kaum erwarten, sich selbst in das bunte Getümmel zu stürzen.
Khalil parkte, drückte einem Jungen ein paar Münzen in die Hand und gab ihm den Auftrag, auf den Wagen achtzugeben. Dann forderte er Hannah mit einer mürrischen Geste auf, ihm zu folgen. Trauben von Zuschauern drängten sich um die Schlangenbeschwörer und die Musikanten, und mitten unter ihnen bildete eine Akrobatentruppe einen Menschenturm, der hoch in den samtschwarzen Himmel ragte, während am Boden ein kleiner Junge bei den ehrfürchtigen Betrachtern Münzen einsammelte.
Weiter kämpften sie sich durch das Gedränge. Die Luft war erfüllt von summendem Stimmengewirr, dumpfen Trommelrhythmen und fröhlichem Lachen, und die Glocken der leuchtend bunt gekleideten Wasserverkäufer mischten sich mit den lauten, dramatischen Stimmen der Märchenerzähler.
„Wie viele Menschen sind wohl hier heute Abend?“, fragte Hannah beeindruckt.
„Wohl an die fünfzehntausend. Bleib in meiner Nähe.“
Erstaunlicherweise war das alles nicht für Touristen in Szene gesetzt, sondern das alltägliche – oder besser, das allnächtliche Treiben der Marokkaner. Frauen waren allerdings kaum zu sehen; wahrscheinlich blieben die hinter verschlossenen Türen verborgen. Kein Wunder, dachte Hannah, dass ich angestarrt werde.
„Können wir hier nicht einen Moment stehen bleiben?“, bat Hannah.
„Nein, wir machen keine Besichtigungstour“, erwiderte Khalil und warf ihr über die Schulter einen kurzen Blick zu.
Khalil bog in eine Gasse ein, die so schmal war, dass seine Schultern beinahe die Hauswände berührten. Geschickt bahnte er sich den Weg durch die wogende Menge der Händler und Käufer, Aussteller und plaudernden Gruppen. Zu Hannahs Glück überragte Khalil all die Köpfe mit rotem Fez, blauem Turban, schwarzem Scheitelkäppchen und dem weißen Baumwolltuch der Männer aus dem Rif-Gebirge.
Sie wurde von der Menschenmenge geschoben, gestoßen, gedrückt. Plötzlich fand sie sich gegen einen Esel gepresst, der mit Bündeln von Tierhäuten beladen war, und sie hätte schwören können, dass sich jemand bewusst an ihren Rücken drückte und dann wieder in der anonymen Masse untertauchte.
„Khalil!“ Unwillkürlich rief sie nach ihm, drehte sich dann jedoch selbst um, um zu sehen, ob sie nicht jemanden mit schuldbewusstem Gesicht entdecken konnte.
„Ärger?“
„Einer deiner Freunde wollte sich die Gelegenheit nicht entgehen lassen, den Körperkontakt zu suchen“, sagte sie bissig.
Khalil ließ seinen Blick über die Menge ringsum gleiten. „Wo?“, stieß er mit zornig klingender Stimme hervor.
„Balek!“ , erscholl es hinter Hannahs Rücken.
Wieder zog Khalil sie an seine Brust.
„Platz machen für Esel“, meinte er leise. „Die Welt ist voller Esel.“
Ich selbst bin einer, dachte sie verärgert, als sie feststellen musste, wie stark seine Nähe, der männliche Duft seines Körpers und seine Berührung auf sie wirkte. Auf keinen Fall durfte er das wissen. Sie musste ihm zeigen, wie gleichgültig er ihr war.
„Mach dir nichts draus“, sagte sie trocken und tätschelte mitfühlend seine Brust. „Du bist in guter Gesellschaft.“
Lachend schaute er zu ihr
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