Julia Gold Band 53
ist das nur anbiedernde Schmeichelei? Wissen sie, dass ich vielleicht eine wichtige Kundin werde?“
„Nein. Sie wissen nur, dass du mit mir hierhergekommen bist“, antwortete er. „Bei jeder anderen Frau, die ich mitbringe, würden sie sich genauso verhalten, sogar, wenn sie nicht so … schön wäre wie du.“ Hannah errötete. „Von Minute zu Minute wirst du mehr wie eine Rose“, spottete er.
Die Geste des Jungen war viel zu bezaubernd, als dass Khalils Sarkasmus sie hätte erreichen können. „Die gute alte Schule der Höflichkeit“, sagte sie leise vor sich hin. „Wie reizend.“
„So“, sagte Khalil jetzt wieder mit sachlicher Stimme und wandte sich den ausgebreiteten Teppichen zu. „Welche gefallen dir am besten? Mit Sicherheit erkennst du die Kelims. Die dort drüben sind aus Wolle und Seide, diese hier werden Chichaoua genannt, und dort liegen sogenannte Glaoui.“
„Für unseren Basar möchte ich von allen Sorten ein paar haben“, sagte sie voller Begeisterung. „Mir persönlich allerdings gefallen die Glaoui am besten.“
Sie ließ sich auf die Knie nieder und untersuchte einen Teppich sorgfältig. Khalil gesellte sich zu ihr.
„Sie stammen aus meiner Heimat“, erklärte er stolz und zeigte ihr dann die Merkmale dieser Teppichart. „Du kannst drei Arten der Herstellung unterscheiden. Diese Brücke hier ist geknüpft, die hier ist gestickt, und die dort drüben ist gewebt.“
„Sind sie sehr kostspielig?“, wollte Hannah wissen.
„Es ist viel zu früh, über Preise zu sprechen“, meinte Khalil. „Die Nacht ist noch jung. Lass uns einen Rundgang über den Markt machen, und morgen kommen wir dann hierher zurück, und dann noch einmal, und dann können wir bei einer Tasse Pfefferminztee langsam beginnen, über Preise zu sprechen. Geschäfte werden hier langsam abgewickelt, als Vergnügen, nicht unter Druck. Niemand erwartet eine direkte Entscheidung. Lass dir heute noch ein paar Teppiche zeigen und erfreue dich an den Farben.“
Diesem Rat folgte sie gern. Tee trinkend immer neue, herrliche Waren zu betrachten, das war eine äußerst angenehme Art, den Abend zu verbringen, zumal Khalil sich dabei immer mehr entspannte und immer umgänglicher wurde. Sie schlenderten zu zwei weiteren Warenlagern, und langsam gelang es ihr, die unterschiedlichen Teppicharten auseinanderzuhalten, sie konnte sogar schon einige ihrer Herstellungsorte im Hohen Atlas unterscheiden.
„Ich denke, das war eine wirklich fundierte Einführung in die Welt der Teppiche“, bedankte sich Hannah dann aus ehrlichem Herzen bei ihrem Lehrmeister. Schon jetzt erkannte sie, dass er für sie von unschätzbarem Wert war.
„Es hat mir selbst Spaß gemacht.“ Khalil lächelte. „Und ich glaube, alle anderen Beteiligten haben es ebenso genossen. Du hast eine große Gabe, Freude zu verbreiten, Hannah.“
Dieses Kompliment traf sie gänzlich unvorbereitet und brachte sie sogar in Verlegenheit. „Ich bin sehr glücklich im Moment“, sagte sie. „Alle hier sind so freundlich. Ich mag die Menschen in Marrakesch.“
„Gut. Du wirst in Zukunft viel mit ihnen zu tun haben, nicht wahr?“
„Wahrscheinlich“, antwortete sie. Über zukünftige Besuche hatte sie noch gar nicht nachgedacht.
Khalil warf einen beiläufigen Blick auf seine Uhr und schlug vor, etwas zu essen.
„Nein, danke sehr“, meinte sie fröhlich, schließlich hatte sie sich fest vorgenommen, den Kontakt mit Khalil auf das rein Geschäftliche zu beschränken. „Ich werde zu Hause zu Abend essen. Allein.“
„Meinst du, du musst dich vor mir in Acht nehmen?“, vermutete er spöttisch.
„Aber durchaus nicht, du beunruhigst mich in keiner Weise“, widersprach sie und lachte.
„Dann wirst du meine Einladung zu einem typisch marokkanischen Essen nicht ausschlagen, mit authentischer Musikbegleitung und einem kleinen Unterhaltungsprogramm vielleicht?“
Das klang verlockend, wie sie freimütig zugab.
„Nun denn“, fuhr er lächelnd fort, „da du allein dort nicht hineingelassen würdest, kannst du dich getrost meiner bedienen.“
„Wenn du es so ausdrückst, sage ich Ja.“
Gemächlich schlenderten sie über den Markt, vorbei an dem unablässigen Hämmern in den Juwelierständen, den großen Säcken mit exotischen Gewürzen, die ihren herben Duft verströmten, unter den Fenstern eines Dampfbades her, aus denen sich süßliche Duftschwaden in die kühle Nachtluft ringelten.
Mit einiger Mühe schaffte er es, Hannah von der Gasse der
Weitere Kostenlose Bücher