Julia Gold Band 53
seine Frau zu werden, das war zu viel.
Khalil hatte recht, man konnte noch so sehr versuchen, gegen sein Schicksal anzukämpfen, am Ende blieb es immer Sieger. Offensichtlich war es ihr Schicksal, niemals wirkliche Liebe zu finden, nur immer wieder eine betörende Fata Morgana.
Sie nahm all ihren Mut zusammen und ging zu Khalils Büro, traf ihn jedoch nicht an. Bei dem Sekretär hinterließ sie eine Nachricht, in der sie Khalil dringend um eine Unterredung bat, entweder in ihrem Haus oder ab sieben Uhr im Café Renaissance .
Kopf hoch, dachte sie auf dem Weg nach Hause, niemand soll sehen, wie es mir wirklich geht. Für den Abend machte sie sich sorgfältig zurecht und wählte aufregende, beeindruckende Kleidung aus. Das war gut für ihr Selbstbewusstsein und half ihr, sich gegen Khalil zu wappnen.
Während des gesamten Interviews mit Steve Anderson wartete sie vergeblich auf Khalils Telefonanruf. Eine Gruppe von Marokkanern betrat die überfüllte Dachterrasse im sechsten Stock des Cafés und nahm direkt neben Hannah und ihrem Begleiter Platz. Die Männer starrten sie auffällig an, aber das war alles.
Steve war nah an sie herangerückt, um bei dem Lärm ringsum jedes ihrer Worte verstehen zu können. Die beiden versuchten, alles um sie herum auszublenden und sich lediglich auf ihr Interview zu konzentrieren.
„Es ist schon Mitternacht“, meinte Hannah schließlich.
Steve legte seine Hand auf ihre und schaute sie dankbar an. „Sie waren wunderbar“, sagte er glücklich. „Sie sind eine bemerkenswerte Frau. Ich verspreche Ihnen, Sie werden es nicht bereuen, mir etwas Zeit geschenkt zu haben.“
„Es war mir ein Vergnügen. Machen Sie etwas Gutes daraus.“
„Ich lasse uns ein petit taxi rufen“, meinte Steve. Gefolgt von den aufmerksamen Blicken der Marokkaner am Nebentisch, verließen sie das Café. Steve brachte sie nach Hause und verabschiedete sich dann.
Sie war froh, diesen Abend nicht allein verbracht zu haben. Die Nacht würde noch schlimm genug werden.
Von Khalil fand sie auch hier keine Nachricht vor. Sie setzte sich an Abrechnungen und Kalkulationen und verschloss sich gegenüber allen Gedanken an Khalil und ihren Schmerz.
Am nächsten Morgen fuhr sie früh in den Souk und orderte Ballen von Stoffen hier, Messing- und Töpferware dort, handelte um Körbe, Kosmetika, Farben und Parfümöle. Zwischendurch kümmerte sie sich um die Verladung und Fracht der Waren und um ihre spätere Lagerung in London. Sie konzentrierte sich vollständig darauf, die Geschäfte abzuwickeln, um so schnell wie möglich Marrakesch verlassen zu können. Nachts fiel sie ein paar Stunden lang in den traumlosen Schlaf der Erschöpfung.
Am folgenden Morgen wachte sie erschrocken auf, stellte fest, dass es schon spät war und dass draußen vor ihrer Haustür jemand laut die Glocke läutete. Das konnte nur ein Bote von Khalil sein!
Sie öffnete die Tür und nahm von einem Mann eine kurze Nachricht entgegen: Hassan fährt dich zu meinem Haus. Ich erwarte dich dort .
Hassan verbeugte sich höflich mit einer Hand auf der Brust und setzte sich wieder in den Wagen, um dort auf sie zu warten.
Hannah zog sich mit zitternden Händen an. Sie wählte ihr elegantestes Seidenkostüm in der Farbe frisch erblühten Mohns mit breiten Schultern, eng geschnittener Taille und kurzem, schmalem Rock, dazu schwarze hochhackige Schuhe. Ihre Blässe überdeckte sie mit einem kräftigen Augen-Make-up und einem Lippenstift in passendem, leuchtendem Rot. Große silberne Ohrringe und zahlreiche Armreifen komplettierten ihre Toilette.
Die Erscheinung im Spiegel wollte gar nicht zu ihrer niedergeschlagenen Stimmung passen. „Kopf hoch, verdammt noch mal!“, herrschte sie sich selbst an. „Er braucht nicht zu wissen, wie sehr du leidest. Wenn dir schon sonst nichts bleibt, dann wenigstens dein Stolz.“
Sie verschloss die Tür und stieg in den Wagen. Jetzt war sie auf dem Weg, Khalil mitzuteilen, dass sie ihn niemals wieder sehen wollte und nie seine Frau würde. Oder sollte sie schweigen? Es wäre so leicht. Wenn er sie doch nur etwas lieben würde! Er hätte sein Abenteuer mit der jungen Blondine wenigstens heimlich ausleben können, aber so, direkt vor ihren Augen …
Plötzlich fuhr der Wagen um eine scharfe Kurve. Sie schaute auf.
„Hassan! Dies ist doch nicht der Weg …“ Hassan nickte ihr ermunternd zu. Natürlich! Khalil hatte sein Haus in den Bergen gemeint, nicht sein Stadthaus in Marrakesch, wie sie angenommen hatte.
Das
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