JULIA HOCHZEITSBAND Band 20
fragte Clayton überrascht: „Du weißt davon?“
„So ist das Kleinstadtleben eben.“
„Also wussten es alle außer mir.“
„Nein. Colleen hat es mir selbst erzählt. Sie war es wohl leid, das Geheimnis mit sich rumzuschleppen – und die Schuldgefühle.“ Nick wusste, dass es ihr nicht leichtgefallen sein konnte, ihren großen Bruder in ihre Jugendsünde einzuweihen. „Geht es ihr gut?“
„Ich denke schon. Allerdings ist sie momentan nicht besonders gut auf mich zu sprechen.“
„Vielleicht solltest du ihr mehr Verantwortung geben. Dir muss doch klar sein, wie klug und stark sie ist.“
„Inzwischen habe ich es begriffen.“ Clayton seufzte. „Ich wünschte, sie hätte mir die ganze Geschichte schon damals erzählt. Aber sie hat wohl recht damit, dass ich ihr nicht geglaubt oder nicht mal zugehört hätte. Ich habe mich schon bei ihr entschuldigt. Aber jetzt muss ich noch jemanden um Verzeihung bitten.“
„Abby.“
„Stimmt. Ich war praktisch der Rädelsführer, als sie von den zornigen Einwohnern aus der Stadt vertrieben wurde.“
Nick lachte über die dramatische Darstellung. „Ich denke nicht, dass dem so war. Nach allem, was ich gehört habe, wollte sie schon immer von hier weg.“
„Ja, sie hat nie einen Hehl daraus gemacht, dass sie es hier hasst.“ Clayton deutete zu der Reisetasche. „Du gehst also?“
„Ja.“
Er atmete erleichtert auf.
„Anscheinend habe ich deine Gastfreundschaft schon zu lange strapaziert.“
„Nein, das ist es nicht. Aber ich habe Abby gebeten rüberzukommen. Es fällt mir nicht leicht, Abbitte zu leisten, die acht Jahre zu spät kommt.“
Nick schnappte sich die Reisetasche und ging zur Tür. „Ich wünsche dir viel Glück, Mann.“
„Danke. Das kann ich verdammt gut gebrauchen, wenn es um Abby geht. Und was ist mit dir?“
„Was soll mit mir sein?“
„Hast du in Cloverville gefunden, was du brauchst?“ Clayton schüttelte den Kopf. „Natürlich nicht. Sonst würdest du ja nicht gehen.“
Im Gegenteil. Nick ging, weil er es gefunden hatte. Denn er wollte niemanden brauchen. Selbst wenn Colleen sich in ihn verlieben könnte, bestand die Gefahr, dass sie sich später wieder entliebte. Und er fürchtete, dass er ein gebrochenes Herz ebenso wenig verkraften würde wie sein Bruder.
„Dachte ich’s mir doch, dass ich dich hier finde.“
Verstohlen wischte Colleen sich Tränen von den Wangen, bevor sie sich von Colonel Clover zu Nick umdrehte. „Wie man zu sagen pflegt, kehrt der Schuldige immer zum Tatort zurück.“
„Hast du dir nicht vorgenommen, etwas nachsichtiger mit dir selbst zu sein?“
Sie zwang sich zu lächeln. „Ja, und das bin ich auch. Aber ich habe Clayton vorhin die Wahrheit gesagt.“
„Das hat er mir gerade erzählt. Jetzt brennt er darauf, sich bei Abby zu entschuldigen.“
Sie lächelte erleichtert. „Gut. Das ist längst überfällig.“ Sie hatte Clayton gedrängt, Abby zum Bleiben zu überreden. „Vielleicht bin ich meiner Mom ähnlicher, als ich dachte.“
Verständnislos runzelte Nick die Stirn. „Inwiefern?“
„Ich versuche zu verkuppeln.“
„Du wirkst auf mich nicht wie ein Typ, der sich in die Angelegenheiten anderer Leute einmischt.“
„Bin ich auch nicht.“ Sie lachte. „Normalerweise bin ich dafür viel zu sehr mit mir selbst beschäftigt.“
„Stimmt“, murmelte er ironisch. „Deswegen arbeitest du ja auch ehrenamtlich auf der Station für krebskranke Kinder.“
Sie zwinkerte ihm zu. „Das tue ich, weil ich mir einen reichen Doktor angeln will.“
„Colleen!“
„Das ist es doch, was du glauben willst.“
„Ja. Das möchte ich gern, aber du vermasselst es mir. Du bringst mich total durcheinander.“
„Gehst du deswegen weg?“ Auch ohne die unübersehbare Reisetasche in seiner Hand hätte sie gewusst, dass er gekommen war, um Lebewohl zu sagen. Das Wort stand ihm förmlich ins Gesicht geschrieben, in die ernsten grünen Augen und den verkniffenen Zug um den Mund.
Er nickte.
Sie spürte einen Stich in der Herzgegend. „Danke, dass du mich nicht belügst.“
„Ich habe dich nie belogen.“
Skeptisch zog sie eine Augenbraue hoch. „Auch nicht, als du versucht hast, mir mit deinem Charme Mollys Aufenthaltsort zu entlocken?“
„Jedes Wort, das ich gesagt habe, ist wahr.“ Am Anfang hatte Nick sich selbst vorgemacht, dass er sich nur mit ihr traf, um sie auszuhorchen. Doch dann hatte er alle möglichen Ausflüchte erfunden, um mehr Zeit mit ihr zu verbringen. Wie
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