JULIA HOCHZEITSBAND Band 20
angekommen waren, trat Clayton unauffällig hinter den Trauzeugen und ging dann um die Sitzreihen herum zur Sakristei zurück.
Im Eingangsbereich standen die Kinder: Buzz und T.J., die Söhne des Bräutigams, die ein rotes Samtkissen hin und her warfen, auf dem eigentlich die Ringe liegen sollten. Und Lara, die mit ihren kleinen Fingern aufgeregt einen weißen Blumenkorb mit roten Blütenblättern umklammerte. Mit ihren blonden Locken sah sie aus wie ein Engel. Vom Altar aus lächelte Abby ihrer Tochter aufmunternd zu.
Ihr Anblick verschlug Clayton den Atem. Nie zuvor war sie so schön gewesen. Doch er hatte jetzt keine Zeit für Gefühle. Und er hatte definitiv keine Zeit für das Durcheinander, das Abby Hamilton in sein Leben bringen würde, wenn er ihr nicht ab sofort aus dem Weg ging.
Entschlossen ging er zur Sakristei hinüber. Warum war Molly noch nicht herausgekommen? „Molly?“
Als sie auf sein Klopfen nicht reagierte, drehte er den Knauf und öffnete die Tür. Der Raum war leer. An einem Wandhaken hing das Brautkleid und bewegte sich sanft in der Brise, die durch das offene Fenster wehte.
„Um Himmels willen!“ Molly war verschwunden und hatte ihr Brautkleid zurückgelassen. Am Oberteil war mit einer Nadel eine Nachricht befestigt. Eine Nachricht, die nicht etwa an den Bräutigam oder an ihn, ihren Bruder, adressiert war, sondern – wie könnte es anders sein – an Abby. Mit zitternden Händen nahm er den Umschlag ab und steckte ihn in seine Tasche.
Jeder Muskel seines Körpers war angespannt, als er wieder in die Kirche trat. Mrs. Hild, die Organistin, spielte den Hochzeitsmarsch. Die Gäste erhoben sich und drehten sich zum Eingang, wo Clayton stand.
Nur Clayton. Er ignorierte das Gemurmel und die neugierigen Blicke. Und er vermied es, den Bräutigam anzusehen. Seine Blicke galten ausschließlich ihr . Abby. Sie war schuld an diesem Desaster. Sie hatte genau das getan, was er ihr mehr oder weniger verboten hatte. Sie hatte die Braut dazu überredet, davonzulaufen. Genau wie Abby selbst es vor acht Jahren getan hatte. Sie machte noch immer nichts als Ärger.
4. KAPITEL
Noch immer erklang der Hochzeitsmarsch. Doch leider war weit und breit keine Braut zu sehen.
Molly ist endlich zur Vernunft gekommen! Abby spürte, wie eine Welle der Erleichterung sie erfasste. Seitdem Molly ihr von ihren überstürzten Hochzeitsplänen erzählt hatte, hatte Abby ein ungutes Gefühl gehabt. Glücklicherweise war es ihr gestern Abend auf der Pyjamaparty anscheinend doch gelungen, Molly zum Nachdenken zu bewegen.
Davon war offensichtlich auch Clayton überzeugt. Er gab ihr die Schuld. Daran ließ sein finsterer Blick, der ihren Magen rebellieren ließ, keinen Zweifel. Doch sie spürte auch noch ein anderes Gefühl. Aufregung. Schon immer hatte sie sich am lebendigsten gefühlt, wenn sie Clayton aus der Reserve locken konnte. Sie hasste seine demonstrative Gelassenheit.
Endlich bemerkte Mrs. Hild, dass etwas nicht stimmte, und hörte auf zu spielen. In der Kirche herrschte eine tödliche Stille. Betreten blickte die Hochzeitsgesellschaft zu Clayton, der jedoch unverwandt Abby ansah.
Obwohl seine Gesichtszüge starr waren, huschte ein gequältes Lächeln über Claytons Lippen. „Die Hochzeit wird sich leider ein wenig verzögern“, gab er bekannt. „Die Braut braucht noch einen Augenblick. Vielen Dank für euer Verständnis.“
Dann hatte Molly die Kirche also gar nicht verlassen? War sie nur noch nicht bereit, zum Altar zu gehen? Abby wollte um jeden Preis verhindern, dass Clayton sie dazu drängte, herauszukommen. Er war gut darin, von Verantwortung und Pflicht zu sprechen. Entschlossen raffte Abby ihren Rock und eilte, ohne auch nur einen Blick auf die Gästeschar zu werfen, zur Sakristei.
Sie sah so umwerfend gut aus in ihrem verführerischen roten Kleid, dass Clayton sie fast vorbeigelassen hätte. Doch dann besann er sich, schluckte angestrengt, um die Anziehungskraft, die sie auf ihn ausübte, zu vertreiben, und griff nach ihrem Arm. Wütend versuchte Abby, sich loszureißen, doch er hielt sie fest und zwang sie, langsamen Schrittes mit ihm in Richtung Sakristei zu gehen.
„Ich will sofort mit Molly sprechen“, zischte Abby.
„Genau wie ich“, erwiderte er und blieb vor dem leeren Raum stehen.
Abby öffnete die Tür und drehte sich dann mit fragendem Blick zu Clayton um. „Wo ist sie?“
„Genau das wüsste ich auch gern“, antwortete Clayton.
Sie starrte ihn an und fing an zu lachen.
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