JULIA HOCHZEITSBAND Band 20
„Sie ist also fort?“
„Tu doch nicht so, als wenn du überrascht wärst“, sagte Clayton wütend und holte die zerknitterte Nachricht aus seiner Tasche. „Du bist die Einzige, der sie eine Nachricht hinterlassen hat.“
Abby riss ihm den Umschlag aus der Hand, öffnete ihn und zog ein Blatt Papier heraus.
„Was steht drin?“, fragte Clayton, als sie wortlos die Nachricht von seiner Schwester las. Er hätte den Brief aufmachen können, nachdem er ihn gefunden hatte, doch seine Eltern hatten ihn dazu erzogen, die Privatsphäre anderer Menschen zu respektieren. „Na komm schon, ich mache mir Sorgen um sie und möchte wissen, was sie schreibt.“
„Es war gut, dass sie davongelaufen ist“, erklärte Abby. „Sie hätte fast den größten Fehler ihres Lebens gemacht.“
Hinter ihnen schnappte jemand nach Luft. Clayton drehte sich um und sah, dass die Hochzeitsgesellschaft ihnen gefolgt war.
„Josh, es tut mir leid“, sagte er zu Mollys verlassenem Verlobten.
Abby lief rot an. In diesem Augenblick hatte Lara ihre Mutter erreicht und sagte tadelnd: „Mommy, in einer Kirche darf man doch nicht rennen. Und auch nicht laut reden.“
„Ja, Mommy war böse“, murmelte Clayton leise in Abbys Ohr. Sehr böse. Er war überzeugt davon, dass sie für Mollys Verschwinden verantwortlich war.
„Es tut mir leid“, erklärte Abby und sah Josh an. „Sie hat die Hochzeit nicht als größten Fehler ihres Lebens bezeichnet. Sie ist im Moment nur etwas durcheinander.“
„Was ist los?“, fragte Rory und lockerte seine Krawatte. „Ist Molly wirklich abgehauen?“
Clayton zuckte die Schultern. „Frag doch Abby. Sie ist bestens informiert.“
Obwohl Abby erleichtert darüber war, dass ihre Freundin sich ihren wahren Gefühlen gestellt hatte, verspürte sie Mitleid mit Josh und seinen beiden Söhnen.
„Geht es ihr gut?“, fragte Josh besorgt. Jeder andere verschmähte Bräutigam wäre vermutlich wütend und verletzt gewesen, doch für Josh war die Sorge um Molly offenbar wichtiger als sein eigener verletzter Stolz.
Abby konnte gut verstehen, warum ihre Freundin seinen Heiratsantrag angenommen hatte. Es war so schwierig, einen wirklich netten Mann zu finden. Doch wenn Molly ihn und seine Söhne nicht aus ganzem Herzen liebte, dann hatte sie ihnen mit ihrem Verschwinden einen großen Gefallen getan.
„Es geht ihr gut“, versicherte Abby ihm. „Sie ist nur ziemlich durcheinander. Sie braucht ein wenig Zeit für sich, um herauszufinden, was sie wirklich will.“
„Hätte sie das nicht tun können, bevor sie Joshs Antrag angenommen hat? Es ist ja wohl total durchgeknallt, seinen Bräutigam vor dem Altar stehen zu lassen“, grummelte Nick, der Trauzeuge.
„Molly ist nicht verrückt“, verteidigte Colleen ihre Schwester.
Abby schwieg. Sie würde all ihre Kraft dazu brauchen, sich gegen Claytons Angriffe zu verteidigen.
„Es ist vermutlich mein Fehler gewesen“, erklärte Josh. „Ich habe sie zu sehr gedrängt, obwohl ich wusste, dass sie noch nicht so weit ist.“
Nick klopfte seinem Freund auf die Schulter. „Mach dir keine Vorwürfe. Sie hätte schließlich Nein sagen können. Das Ganze hier zeigt nur wieder einmal, dass man ihnen nicht trauen kann.“
Anstatt empört zu sein, musste Abby grinsen. Nick Jameson hatte anscheinend einschlägige Erfahrungen mit Frauen gemacht, die vom gleichen Kaliber gewesen waren wie die Männer, mit denen Abby ausgegangen war. Sie konnte seine Verbitterung gut verstehen.
„Was machen wir denn nun mit all dem Essen?“, fragte Mrs. McClintock. „Mrs. George und die Kellys sind seit Tagen mit den Vorbereitungen beschäftigt. Wir dürfen das Hochzeitsmahl nicht verkommen lassen!“
„Meinst du das ernst, Mom?“, fragte Colleen, die sichtlich verwundert über die Pragmatik ihrer Mutter war. Abby hingegen war kein bisschen überrascht. Mrs. Mick war schon immer eine überaus patente Person gewesen, die mit großer Gelassenheit alle Herausforderungen des Lebens meisterte. Sie hatte den Tod ihres geliebten Manns überstanden und ihre vier Kinder zu klugen, verantwortungsvollen Menschen erzogen. Genau wie Abby wusste sie anscheinend, dass Molly einen guten Grund haben musste, wenn sie kurz vor ihrer Hochzeit verschwand.
Abby fragte sich, welches ihrer zahlreichen Argumente Molly bewogen haben mochte, diesen Schritt zu gehen. In ihrer Nachricht hatte Molly ihre Beweggründe nicht erklärt. Stattdessen hatte sie um zwei Dinge gebeten: Sie wollte eine Weile allein
Weitere Kostenlose Bücher