Julia Liebeskrimi Band 09
kapiert, bevor ich sie geheiratet hab.“
„Sie und Etta Sue sind verheiratet?“
„Ich war Ehegespinst Nummer vier. Frisch aus dem Knast und viel zu aufgekratzt, um klar zu denken.“
Molly dachte an ihre erste Begegnung mit der schrulligen Frau zurück. „Etta Sue hat erwähnt, dass sie mehrmals verheiratet war. Aber sie hat die Namen ihrer Exmänner so schnell heruntergeleiert, dass ich sie nicht richtig mitgekriegt hab.“
In diesem Moment führte Raleigh den Appaloosa herein. „Lawless, bringen Sie die Pferde zu den anderen auf die Weide. Aber nicht so weit weg, es ist bald Zeit zum Füttern.“
„Der Name Lawless – gesetzlos – ist also wörtlich zu nehmen“, sagte Molly, nachdem der Cowboy die Reitpferde hinausgeführt hatte. „Haben eigentlich alle Bewohner der Triple Eight eine so bewegte Vergangenheit?“
„Ich nicht, Miss Molly.“ Raleigh zog den Reißverschluss seiner Jacke auf.
„Warum nennst du mich nicht einfach Molly?“ Sie blitzte ihn mit leicht schräg geneigtem Kopf herausfordernd an.
„Das spare ich mir für einen intimeren Moment auf.“
„Du bist dir deiner definitiv zu sicher. Oder vielleicht sollte ich besser sagen, du bist dir meiner zu sicher?“ Molly wandte rasch den Blick ab, damit er ihre Gefühle nicht aus ihren Augen ablesen konnte. Dabei entdeckte sie etwas, das sie überaus faszinierte. „Ist das da oben etwa ein richtiger Heuboden?“
„Yep. Möchtest du ihn gern ansehen?“
„Ich weiß nicht, ob das klug wäre. Selbst in New York ist bekannt, was auf Heuböden so vorgeht.“
„Und, hast du nicht Lust herauszufinden, ob da etwas Wahres dran ist?“
Die Verlockung war groß, das musste sie zugeben. Doch ein Blick auf ihre Armbanduhr sagte ihr, dass es allmählich Zeit wurde, in die Lodge zurückzukehren, um das Dinner vorzubereiten. „Ich gebe zu, dass ich neugierig bin, aber ich habe nicht viel Zeit. Ich will nur mal einen Blick hinaufwerfen.“ In zehn Minuten konnte doch nicht großartig etwas passieren.
Raleigh winkte ab. „Es gibt ohnehin nichts Besonderes zu sehen.“
Molly lächelte stillvergnügt in sich hinein, während sie die Leiter hinaufkletterte. Es sei denn, du folgst mir, dachte sie schmunzelnd.
6. KAPITEL
„Es ist warm hier“, bemerkte Molly, die die Erfahrung gemacht hatte, dass Wärme in Wyoming ein relativer Begriff war. Ein Novembertag wurde als warm bezeichnet, wenn das Thermometer knapp null Grad überschritt. In ihrem Schlafzimmer in der Lodge war es eiskalt, aber die dicke Daunendecke verbreitete zumindest in ihrem Bett eine mollige Wärme. Und ein Ausritt an der Seite eines Moviestar-Cowboys heizte selbst dem härtesten Winter ein.
Molly knöpfte ihre Jacke auf und schaute sich interessiert um. Es herrschte nur eine Dämmerbeleuchtung hier oben, und die Luft war erfüllt vom intensiven Duft des Heus.
Der Heuboden umfasste den oberen Bereich der Scheune. In der Mitte gab es eine weite Öffnung, von der aus man nach unten auf die Ställe blickte, aus denen die Pferde interessiert die Köpfe steckten.
„Und es wird immer heißer“, erklärte Raleigh. „Im Sommer ist das hier ein richtiges Dampfbad.“
„Aber du bist doch erst seit einem Monat hier.“
„Aber ich bin Heuboden-erfahren.“
Ihr Lächeln geriet ein wenig schief. „Das glaube ich dir gern.“
Die Heuballen stapelten sich beinahe bis zur Decke. Es gab kaum Platz, und in der Mitte gähnte die ungesicherte Öffnung. Molly legte die Hand auf den Stiel einer Forke, die aus einem Ballen stakte, und schob sich vorsichtig daran vorbei.
Die Forke neigte sich, und Molly rutschte auf den losen Halmen aus, die überall den Holzboden bedeckten. Sie schnappte erschrocken nach Luft, doch sofort spürte sie Raleighs Arme stützend um ihre Mitte.
„Vorsicht, pass auf, wo du hintrittst, Stadtmädchen.“
„Schon gut.“ Sie ließ sich auf einen niedrigen Stapel Strohballen fallen. „Hast du das schon mal erlebt, dass sich in Sekundenbruchteilen dein ganzes Leben vor dir abspult?“
„Ja, so ähnlich.“
„Und, war es ein gutes Leben?“
Raleigh stützte sich mit einem Fuß auf einem Ballen ab. „Damals empfand ich es als gut. Was man nie kennengelernt hat, kann man auch nicht vermissen.“
„Das stimmt nicht. Auf mich trifft das jedenfalls nicht zu. Ich habe eine wunderbare Familie, gute Freunde, und mein Leben erschien mir immer irgendwie privilegiert. Und doch … ich wusste immer, dass ich etwas anderes wollte …“ Sie breitete in einer
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