Julia Liebeskrimi Band 09
köstlich“, bemerkte Mike beim Hereinkommen. „Bei so einem Frühstück könnte sich ein Mann vielleicht sogar ans Aufstehen gewöhnen.“
Als Daniel sah, dass die Augen seiner Mutter leicht alarmiert aufblitzten, stieg eine tiefe Genugtuung in ihm auf.
„Ich habe mich bereits daran gewöhnt“, erklärte Daniel. „Mary ist eine wunderbare Köchin.“ Dann übergab er Hope seiner Mutter. „Hier, Mom. Sag deiner Enkelin Guten Morgen, und sieh zu, dass sie ein Bäuerchen macht. Ich helfe Mary unterdessen, den Tisch zu decken.“
Phyllis schwankte heftig zwischen Eifersucht und Ergebenheit. Es war Jahre her, seit sie zum letzten Mal so ein Frühstück gemacht hatte, und Mikes Bemerkung nagte an ihr. Doch das süße Lächeln ihrer Enkeltochter brachte sie auf andere Gedanken. Nachdem sie sich an den Tisch gesetzt hatte, legte sie sich das Baby an die Schulter und tätschelte ihm liebevoll den Rücken. Und während sie so dasaß und beobachtete, was um sie herum vorging, begann sie sich – nicht zum ersten Mal seit ihrer Ankunft – zu fragen, ob sie sich womöglich geirrt hatte.
„Mary.“
Mary schrak zusammen, als sie die Stimme ihrer Schwiegermutter hörte, dann wirbelte sie so schnell herum, dass sie fast den Stapel frisch gewaschener Wäsche, den sie auf dem Arm hatte, fallen gelassen hätte.
„Ja?“
Phyllis seufzte. Dieser alarmierte Ausdruck in Marys Augen war ganz allein ihre Schuld. Sie streckte die Hand nach dem Wäschestapel aus. „Warte, ich helfe dir.“
„Nein, bitte. Das kann ich allein.“
Phyllis runzelte die Stirn. „Ich weiß, dass du tüchtig bist, Mädchen, aber das ist jetzt die dritte Maschine, und ich habe nicht gesehen, dass du dich seit dem Frühstück auch nur ein einziges Mal hingesetzt hättest. Außerdem tut dir doch bestimmt dein Finger noch weh.“
Mary warf einen kurzen Blick auf ihren Verband. „Es ist schon viel besser.“
Phyllis nahm ihrer Schwiegertochter die sauberen Handtücher aus dem Arm. „Wir falten sie auf dem Bett, okay?“
Widerstrebend folgte Mary ihr ins Schlafzimmer. Als Phyllis die Badelaken und Handtücher aufs Bett fallen ließ, atmete Mary tief durch und ging dann um das Bett herum auf die andere Seite. Ein paar Minuten arbeiteten sie schweigend. Erst nachdem Phyllis den letzten gefalteten Waschlappen aus der Hand gelegt hatte, setzte die ältere Dame sich hin.
„Mary, ich möchte dir etwas sagen.“
Mary erschrak. Das Letzte, was sie wollte, war eine weitere Konfrontation, aber da Daniel und sein Vater bei der Versicherung waren, war sie mit Phyllis allein. Sie nahm den Stapel Badetücher, ging damit ins Bad und räumte ihn in den Schrank. Als sie sich umdrehte, stand Phyllis mit dem Stapel Handtücher, auf dem die Waschlappen lagen, hinter ihr.
„Danke“, sagte Mary und räumte die Sachen ebenfalls ein.
Phyllis nickte. „Du bist wirklich sehr ordentlich“, sagte sie anerkennend, während sie auf die akkurat gefalteten Wäschestapel im Schrank schaute.
„Danke. Das kommt wahrscheinlich davon, dass ich bei Pflegefamilien aufgewachsen bin.“
„Wie meinst du das denn?“
Mary zuckte die Schultern. „Na ja, weil ich nie wusste, wie lange ich bleiben darf, hatte ich meine Sachen immer ordentlich beieinander, damit das Packen schneller ging, wenn mich die Fürsorge wieder einmal umquartierte.“
Phyllis runzelte die Stirn. „Du hast deine Eltern nie kennengelernt?“
„Doch schon … meine Mutter jedenfalls“, sagte Mary. „Aber ich erinnerte mich nur dunkel. Ich war noch sehr klein, als sie mich wegbrachten.“ Dann drehte sie sich um und sah ihrer Schwiegermutter direkt ins Gesicht. „Sie starb an Krebs, weißt du.“
Phyllis seufzte. „Du hattest keine leichte Kindheit, nicht wahr?“
„In deinen Augen wahrscheinlich nicht“, sagte Mary. „Aber für mich war es die Normalität.“ Gleich darauf wurde ihr Gesichtsausdruck weicher. „Aber jetzt habe ich ja Daniel und Hope. Sie sind … und dich und Mike … ihr seid jetzt meine Familie.“ Sie holte tief Atem, wild entschlossen, den Rest jetzt auch noch hinter sich zu bringen. „Ich weiß, dass du und Mike euch etwas Besseres für Daniel gewünscht habt. Aber ich liebe ihn sehr und würde ihm niemals wehtun. Er und Hope sind mein Leben.“
Phyllis schämte sich, sie schämte sich wirklich. „Ja, das sehe ich jetzt auch“, sagte sie. „Ich war nicht fair zu dir, und dafür möchte ich mich entschuldigen.“ Damit wandte sie sich ab und ging wieder zurück ins
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