Julia Liebeskrimi Band 09
Schlafzimmer.
Mary eilte hinter ihr her. „Es ist in Ordnung“, sagte sie. „Wirklich.“
Phyllis drehte sich um. „Nein, Liebes, es ist überhaupt nicht in Ordnung. Ich war schrecklich zu dir, aber ich schwöre dir, mich zu bessern. Ich hoffe, du kannst mir noch einmal verzeihen.“
Mary schossen die Tränen in die Augen. „Oh, Phyllis, danke“, sagte sie und legte ihrer Schwiegermutter impulsiv die Arme um den Hals.
Phyllis zögerte kurz, dann erwiderte sie die Umarmung.
„Eigentlich muss ich dir danken“, gab sie leise zurück. „Du hast ein großes Herz, meine Liebe. Daniel und Hope haben Glück, dass sie dich haben.“
Glück, dass sie dich haben … Glück, dass sie dich haben … Glück …
Eine Hupe ertönte, gefolgt von einem wütenden Fluch und Reifenquietschen.
Mary schrak zusammen.
Wirklichkeit und Fantasie drifteten auseinander, und alles, was sie denken konnte, war Noch nicht. Bitte noch nicht. Aber auch wenn sie es sich noch so sehr wünschte, gelang es ihr nicht, ihren Traum festzuhalten. In ihrem Kopf drehte sich alles, und ihre Knie drohten nachzugeben, so weich waren sie.
„Daniel“, stöhnte sie.
Doch es kam keine Antwort, da war nur der Geruch nach altem Holz und Staub. In diesem Moment wusste Mary, dass der Traum ausgeträumt war. Sie öffnete die Augen.
Der Antiquitätenladen. Sie stand immer noch in dem Antiquitätenladen, und Mike und Phyllis O’Rourke hatten seit der Beerdigung vor sechs Jahren nicht mehr mit ihr gesprochen.
An diesem Tag war das Wenige, was von ihrer Seele noch übrig geblieben war, auch noch gestorben. Seitdem herrschte in ihrem Leben nur noch eine gähnende Leere, die selbst die größte Geschäftigkeit nicht füllen konnte. Die einzigen Menschen, die sie je geliebt hatten, waren tot, und Mary wünschte sich nichts mehr, als bei ihnen zu sein.
Mit einem unterdrückten Aufschluchzen schaute sie auf den Ring an ihrem Finger. Die Inschrift war ein Witz. Jetzt war er auch wieder da, der vertraute Hass auf sich selbst und das Leben. Mary riss sich das Schmuckstück vom Finger und warf es zurück in den Kasten. Es gab kein „Für immer“.
„Das soll endlich aufhören“, murmelte sie. „Ich kann das nicht … ich will das nicht mehr.“
Als sie sich umdrehte, sah sie, dass sie der alte Mann von vorn aus beobachtete.
„Ich will den Ring nicht. Ich habe ihn zurückgelegt“, murmelte sie und deutete in die ungefähre Richtung des Schmuckkastens. „Ich muss jetzt gehen.“ Aber ihre Füße weigerten sich. Sie war wie gelähmt unter dem mitfühlenden Blick des Alten und spürte, dass sich ihre Augen mit Tränen füllten. „Sie können das nicht verstehen. Sie sind tot, wissen Sie. Sie sind alle tot bis auf mich.“
Dann verlor sie die Fassung und begann zu weinen.
Liebe stirbt nicht.
Mary starrte den alten Mann an. Obwohl sie die Worte gehört hatte, hatten sich seine Lippen nicht bewegt. Als er auf sie zuzugehen begann, schlurften seine kleinen Füße über den staubigen Holzfußboden. Sie wollte wegrennen, aber er verstellte ihr den Weg.
„Tun Sie das nicht“, murmelte sie, auch wenn ihr nicht ganz klar war, was sie damit meinte.
Er wirkte nicht bedrohlich, aber als er schweigend die Hand in die Tasche steckte, hielt sie dennoch unbewusst den Atem an. Und als er ein sauberes weißes Taschentuch herauszog und ihr in die Hand drückte, schämte sie sich, weil sie sich vor ihm gefürchtet hatte.
„O Gott“, murmelte sie und senkte den Kopf.
Gleichzeitig spürte sie eine Hand auf ihrem Kopf, und dann fuhr ihr der alte Mann übers Haar, so wie er es wahrscheinlich auch bei einem Kind gemacht hätte. Mary wischte sich erschaudernd die Tränen ab. Wie konnte sie sich vor einem Fremden bloß so benehmen? Als sie wieder aufschaute, war er weg. Der einzige Beweis dafür, dass er da gewesen war, war das Taschentuch in ihrer Hand.
„Oh, lieber Gott“, murmelte sie. „Es war ihm wahrscheinlich schrecklich peinlich.“
Sie legte das Taschentuch weg und begann sich ihren Weg zur Tür zu bahnen. Jetzt wollte sie nur noch so schnell wie möglich von hier wegkommen. Es war verrückt gewesen, den Laden überhaupt zu betreten. Am Ende hatte sie sich doch nur wieder einmal an all das erinnert, was sie verloren hatte. Sie würde aufhören, darüber nachzudenken, warum der Traum diesmal anders gewesen war, weil es keine Rolle spielte. Ihre Wirklichkeit war die Hölle, und daran hatte sich nichts geändert.
Die Eingangstür stand offen. Mary taumelte
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