Julia Liebeskrimi Band 09
Mommy!“
„Das ist gut. Und jetzt sag mir noch etwas: Hattest du Angst vor ihm?“
Hope zuckte die Schultern. „Ich weiß nicht genau … ein bisschen vielleicht.“
Und plötzlich hatte Mary auch Angst, weil sie wusste, dass sich ein Fremder ihrer Tochter genähert hatte.
„Hat er dich angefasst?“, fragte sie, wobei sie hörte, wie ihre Stimme zitterte.
Hope nickte.
O Gott. O Gott, O Gott. „Wo hat er dich denn angefasst, mein Herz?“
„An den Haaren. Er hat gesagt, dass ich hübsch bin.“ An diesem Punkt schaute Hope auf. „Stimmt das, Mommy? Bin ich wirklich hübsch?“
Mary rang sich ein Lächeln ab, aber sie bekam keinen Ton heraus. Noch nicht. Nicht, während in ihrem Hals ein bitterer Geschmack aufstieg.
„Er hatte so ein Clownsgesicht“, berichtete Hope.
Mary wurde von einer Welle der Erleichterung überschwemmt. Ein Clown. In der Schule war ein Clown gewesen – wahrscheinlich in einer anderen Klasse. Es war eben doch alles in Ordnung.
„Oh … ein Clown! Und hatte er auch ein lustiges Kostüm an?“
Hope runzelte die Stirn. „Er war kein richtiger Clown, Mommy. Er sah nur so aus. Er hatte gelbe Haare und einen großen Mund mit so Löchern zwischen den Zähnen.“
„Mit Löchern zwischen den Zähnen?“
„Na ja, du weißt schon, so.“
„Ach so! Du meinst Zahnlücken.“
„Ja“, sagte Hope.
„Was hat er denn sonst noch gesagt?“, fragte Mary.
„Ich weiß nicht, Mommy. Kann ich jetzt rausgehen und spielen, bis Daddy kommt?“
Sie zögerte, dann nickte sie. „Aber bleib im Garten.“
Das Mädchen verdrehte die Augen. „Also wirklich, Mommy, du weißt doch, dass ich immer nur im Garten spiele.“
Mary zwang sich zu einem Lachen, obwohl ihr viel eher zum Weinen zumute war, als das Kind von ihrem Schoß hüpfte und aus der Hintertür rannte. Sie folgte ihr nach draußen, um sich mit eigenen Augen davon zu überzeugen, dass auch wirklich alles in Ordnung war, dann ging sie wieder ins Haus, um die Kartoffeln fertig zu schälen.
Vom Fenster über der Spüle aus sah sie Hope schaukeln, doch auch das vertrieb ihre leichte Übelkeit nicht. Und ihre Ahnung, dass das Mädchen vielleicht doch nicht tot sein könnte, verstärkte sich.
6. KAPITEL
Howard Lee nahm die Eispackung aus der Einkaufstüte und verstaute sie im Tiefkühlfach. Er hatte gute dreißig Minuten mit sich gerungen, aber schließlich war er zu dem Schluss gelangt, dass Vanilleeis am besten war. Mit Vanilleeis lag man nie falsch. Davon abgesehen hatte er auch noch andere süße Soßen, unter denen seine Engel auswählen konnten. Morgen würde er ihr eine Torte bestellen. Erdbeersahne, überlegte er. Und rosa sollte sie sein – für kleine Mädchen.
Er räumte die Lebensmittel weg, dann ging er in den kleinen Raum mit der Waschmaschine, nahm die saubere Bettwäsche aus dem Trockner und brachte sie ins Gästezimmer. Um seine Lippen spielte ein erwartungsfrohes Lächeln, als er sich daranmachte, das Bett neu zu beziehen. Die Bettwäsche war ebenfalls rosa und mit winzigen Barbiepuppen bedruckt. Howard Lee war stolz darauf, ein perfekter Gastgeber zu sein, und für seine kleinen Engel war ihm nichts zu schade. Jedes Mädchen bekam seine eigene, eigens für es ausgesuchte Bettwäsche, genauso wie ein spezielles Begrüßungsgeschenk. Für Amy Anne hatte er damals eine kleine Meerjungfrau ausgesucht, aber sie hatte ständig nur geweint und ihn angefleht, nach Hause zu dürfen. Da hatte er leider zu strengeren Maßnahmen greifen müssen.
Als er Justine adoptiert hatte, war das Thema im Gästezimmer Aschenputtel gewesen. Er hatte ihr sogar eine kleine Plüschmaus gekauft, genau wie in dem Disneyfilm. Aber dann hatte das Mädchen versucht, aus dem Fenster zu klettern, deshalb war ihm keine andere Wahl geblieben, als ihr ein Beruhigungsmittel ins Essen zu mischen und sie nach unten zu bringen, dorthin, wo Amy Anne ebenfalls war.
Jetzt setzte er alle Hoffnungen auf das neue Mädchen. Vielleicht gewöhnte sie sich ja schnell ein, und dann würden die beiden anderen ihrem Beispiel bestimmt folgen.
Vor sich hin summend bezog er das Bett, wobei er es auskostete, die glatte neue Bettwäsche unter seinen Fingern zu spüren und die hübschen Kissenbezüge zu betrachten. Nachdem er das Kopfkissen bezogen hatte, drückte er es sich in einem Überschwang der Gefühle ans Gesicht und atmete den Duft tief ein. Maiglöckchen. Sein Lieblingsduft.
Ohne Mary aus den Augen zu lassen, ließ sich Daniel behutsam auf der Bettkante
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