Julia Liebeskrimi Band 09
dem Schulgelände von einem Fremden angesprochen.“
„Seit wann schaltet sich in so einem Fall das Morddezernat ein?“
„Seit zwei Mädchen in Hopes Alter vermisst werden“, gab Arnaud zurück.
Für einen Moment hatte Daniel das Gefühl, sich gleich übergeben zu müssen, dann atmete er tief durch und zwang sich zur Konzentration.
„Und Sie glauben, dass dieser Mann auf dem Schulgelände etwas damit zu tun haben könnte?“
„Das wissen wir nicht, aber wir sind gehalten, jedem kleinsten Hinweis nachzugehen, selbst wenn er noch so nebensächlich erscheint.“
„Was möchten Sie wissen?“
„Ich muss mit Hope sprechen. Vielleicht kann sie uns diesen Burschen ja näher beschreiben … und uns sagen, ob sie ihn früher schon mal irgendwo gesehen hat. Sie wissen schon … wir brauchen alles, was uns einen Hinweis darauf liefern könnte, wer diese beiden Mädchen entführt hat.“
Sie verabredeten sich gegen vier Uhr Nachmittag bei Daniel zu Hause.
„Aber sagen Sie Hope nicht, dass ich vorbeikomme“, fügte Reese hinzu. „Sie hat bei ihrem letzten Besuch eine Jacke bei uns vergessen. Ich werde sie vorbeibringen und ihr nebenbei ein paar Fragen stellen.“
„Ja, alles klar. Bis später dann.“
Als Howard Lee aus der Dusche trat, streckte er die Hand nach dem Badelaken aus. Gerade eben war er von der Nachtschicht aus dem Krankenhaus heimgekehrt. Er überlegte nicht zum ersten Mal, dass sich Nachtschichten und Vaterschaft auf Dauer nicht vereinbaren ließen. Er wollte die Mädchen nach Einbruch der Dunkelheit nicht gern allein lassen, aber im Augenblick blieb ihm nichts anderes übrig.
Nachdem er sich abgetrocknet hatte, schlüpfte er in seinen Schlafanzug. Obwohl die Sonne bereits aufgegangen war und es ein herrlicher Tag zu werden versprach, sehnte er sich nach Schlaf.
Vom Bad aus ging er ins Schlafzimmer, wo er neben dem Bett stehen blieb und auf den Bettvorleger schaute. Er dachte an seine Mädchen und fragte sich, was sie wohl gerade machten. Auch wenn seine Augen vor Müdigkeit brannten, meldete sich jetzt sein Gewissen. Eine gewisse Zeit am Tag sollten Eltern unbedingt mit ihren Kindern verbringen, egal wie müde sie waren.
Mit einem tief empfundenen Seufzer schob er den Bettvorleger weg und schloss das Vorhängeschloss auf, mit dem die Kellertür gesichert war. Als er die Tür anhob, quietschte sie in den Angeln. Er musste das verdammte Ding wirklich schleunigst ölen. Howard hörte ein Rascheln und dann nichts mehr.
„Mädchen … soll Daddy hinunterkommen und ein bisschen mit euch spielen?“
Eine ganze Weile war es totenstill, dann hörte man ein ersticktes Schluchzen. Howard Lee runzelte unbehaglich die Stirn.
„Hört auf zu weinen, verdammt!“, schrie er gleich darauf wütend und knallte die Tür zu, dann schloss er ab und schob den Bettvorleger wieder an seinen angestammten Platz.
Er schlug die Bettdecke zurück und legte sich ins Bett, zu erschöpft, um sich eine Strategie für sein weiteres Vorgehen zu überlegen. Die Laken waren sauber und kühl, genau so, wie sie nach Ansicht seiner Mutter sein sollten. Howard Lee hielt sich viel darauf zugute, dass sich das Haus in demselben ordentlichen Zustand wie zu Lebzeiten seiner Mutter befand.
Ungeachtet der Sonne, die durch die Vorhänge schien, schloss er die Augen und schlief ein.
Justine Marchand war vor zwei Monaten sieben geworden, doch für ihr Alter war sie noch recht klein. Sie hatte glattes dunkles Haar, große Augen und einen leicht schmollenden Rosenknospenmund. Auf ihrer Nase prangten exakt vier Sommersprossen, und sie liebte Micky Maus über alles. Wenn sie groß war, wollte sie Krankenschwester werden.
Und dann war sie eines Tages unversehens zwischen dem Morgen, an dem sie ihr Elternhaus verlassen hatte, um in die Schule zu gehen, und vor ihrer Heimkehr in die Hölle gestoßen worden. Sie wusste nicht genau, was passiert war, aber sie wollte nach Hause.
Als sich vorhin die Kellertür geöffnet hatte, hatte sie schnell Amy Anne gepackt und war mit ihr unters Bett gekrochen. Obwohl sie wusste, dass der Mann sie vielleicht zwingen würde herauszukommen, war es immer noch besser so, als sich überhaupt nicht zu wehren.
Aber dann war er Gott sei Dank doch nicht nach unten gekommen, und als er gebrüllt und schließlich die Tür zugeknallt hatte, war ihr vor Erleichterung fast schwindlig geworden. Ihr war es egal, wie laut er schrie, Hauptsache, er blieb weg. Er lächelte zu viel und streichelte ihr dauernd über die
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