Julia Liebeskrimi Band 09
nicht etwa …“
„Bis jetzt denken sie noch gar nichts, Honey. Es ist reine Routine. Diese beiden Mädchen werden immer noch vermisst, da können sie es sich nicht leisten, auch nur die kleinste Kleinigkeit zu übersehen, selbst wenn es noch so viel Mühe macht, verstehst du?“
„Ja, natürlich. Was soll ich tun?“
„Wenn du Hope von der Schule abholst, fahr gleich mit ihr nach Hause, aber erzähl ihr nicht, dass Arnaud kommt. Er wird so gegen vier vorbeikommen und bringt jemanden mit, der nach ihrer Beschreibung ein Phantombild von dem Mann anfertigen kann. Aber lass es Arnaud selbst erklären. In solchen Dingen hat er Erfahrung.“
„Wirst du auch da sein?“ Marys Stimme zitterte. Sie hörte es, aber sie konnte nichts dagegen machen.
„Darauf kannst du dich verlassen.“
Mary seufzte. „Es ist schrecklich, nicht?“
„Ja, aber die Eltern dieser vermissten Kinder müssen noch viel Schrecklicheres durchmachen.“
„O Daniel.“
„Bleib ganz ruhig, Honey. Hope ist sicher, und wir werden dafür sorgen, dass das auch so bleibt.“
Howard Lee nahm die beiden Teller mit Makkaroni und Käse aus der Mikrowelle und stellte sie auf ein Tablett, dann tat er noch zwei Plastiklöffel und zwei kleine Kartons Fruchtsaft dazu. Er schaute einen Moment lang nachdenklich auf die Sachen, dann ging er zu einer Anrichte, nahm zwei Bananen aus einer Schale und legte sie ebenfalls dazu.
„So, das wär’s … ein perfektes Mittagessen für zwei kleine Mädchen, die noch viel wachsen müssen.“
Er ging mit dem Tablett auf den Flur und in sein Schlafzimmer. Nachdem er die Tür mit dem Fuß zugemacht hatte, stellte er seine Last ab, dann schob er den Bettvorleger beiseite, schloss das Vorhängeschloss auf und wuchtete die Falltür hoch. Er lehnte sie gegen das Bett, dann griff er nach dem Tablett und begann die Treppe hinabzusteigen.
Anders als heute Morgen, als er die Mädchen in seiner Verzweiflung angebrüllt hatte, klang seine Stimme jetzt übertrieben fröhlich: „Halli hallo! Ich bringe meinen beiden Engelchen ein leckeres Mittagessen. Habt ihr auch schon schön Hunger?“
Reese Arnaud betrachtete nachdenklich das Gesicht auf dem Zeichenblock, wobei er sich fragte, inwieweit sie sich bei ihren Ermittlungen auf die Beschreibung eines Kindes verlassen konnten. Besonders weit nicht, aber immerhin war es ein Anhaltspunkt.
„Nun, Hope, wie findest du es?“
„Genauso hat der Mann ausgesehen, Onkel Reese“, beteuerte Hope eifrig. „Das ist der Mann, der mein Gesicht und meine Haare angefasst hat und gesagt hat, dass ich hübsch bin.“
Die unterschwellige Bedeutung dieser Worte machte Reese ganz krank, aber er ließ sich nichts anmerken, als er sagte: „Vielen Dank, Honey. Du hast uns sehr geholfen.“
„Wirklich?“ Hope strahlte, dann schaute sie Mary an. „Mommy, darf ich jetzt bis zum Essen noch ein bisschen schaukeln?“
Sie erlaubte es ihr.
Mit der Unschuld eines Kindes, dem die Gefahr, in dem es geschwebt hatte, nicht klar war, stürmte Hope hinaus und ließ die Erwachsenen in bedrücktem Schweigen zurück.
„So einfach geht das“, sagte Daniel schließlich.
Mary lehnte ihren Kopf an Daniels Schulter. „Sie ist noch klein und versteht zum Glück nicht, worum es geht.“
Daniel schaute Reese an. „Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass der Mann, der mit Hope gesprochen hat, der Mann ist, den Sie suchen?“
Reese zuckte die Schultern. „Vielleicht kleiner, als uns lieb ist, aber wir können es uns nicht leisten, irgendeine Spur im Sand verlaufen zu lassen.“
„Wenn wir noch etwas tun können, sagen Sie es einfach.“
„Danke, das werde ich gern tun“, sagte Reese und wandte sich an den Zeichner. „Wir gehen, Kelly. Ich möchte so schnell wie möglich zurück, damit wir unseren Leuten die Zeichnung mit auf den Weg geben können.“
„Haben Sie vor, damit an die Öffentlichkeit zu gehen?“, fragte Mary.
„Nein … zumindest vorerst noch nicht. Sonst macht er sich womöglich noch aus dem Staub, wenn er merkt, dass wir ihm auf der Spur sind.“
„Ja, natürlich, das war unüberlegt von mir. Ich will einfach nur, dass Sie den Mann finden.“
Es war kurz nach Mitternacht, als Mary aufwachte und merkte, dass sie allein im Bett war. Sie lag einen Moment lang da und lauschte auf die Geräusche im Haus. Im Bad nebenan tropfte der Wasserhahn. Draußen war ein Wind aufgekommen, und ein Zweig der alten Eiche vor dem Fenster streifte immer wieder die Scheibe. Ein ständiges
Weitere Kostenlose Bücher