Julia Liebeskrimi Band 09
sie geschaut hatte, gedreht hatte.
Und zwar nach rückwärts!
Sie rang nach Atem, weil sie das Gefühl hatte, gleich zu ersticken.
Nach rückwärts?
Nein. Niemals.
Das war unmöglich.
Die Zeit ließ sich nicht zurückdrehen.
Und doch wurde sie das Gefühl nicht los, dass genau das passiert war. Was, wenn sie wirklich eine zweite Chance bekommen hatte? Was, wenn sie dadurch Hope und Daniel tatsächlich das Leben gerettet hatte?
Sie stand auf und stellte das Fotoalbum an seinen Platz zurück, dann ging sie zum Telefon und wählte die Nummer der Auskunft.
„Auskunft. Was kann ich für Sie tun?“
„Was für ein Datum haben wir heute?“, fragte sie mit dem Mut der Verzweiflung.
„Wie bitte?“, fragte die Stimme am anderen Ende der Leitung verblüfft.
„Bitte“, flehte Mary. „Sagen Sie es mir einfach nur. Was haben wir heute für ein Datum?“
„Den 26. September.“
Mary begann zu zittern. Sie war am 2. Oktober in dem Antiquitätengeschäft gewesen. Tief durchatmend fragte sie: „Und welches Jahr?“
„Geht es Ihnen nicht gut, Madam?“
Kann sein, vielleicht bin ich ja verrückt. „Sagen Sie es mir einfach. Was für ein Jahr haben wir?“
„Heute ist der 26. September 2002.“
Ohne ein weiteres Wort legte Mary auf. Was sollte sie dazu sagen? Vielleicht „Ach, übrigens, ich glaube, ich mache gerade eine Zeitreise rückwärts und möchte nicht zu spät zum Abendessen kommen“?
Bevor sie diesen Gedanken weiterverfolgen konnte, klingelte das Telefon. Sie schrak zusammen, und beim Abnehmen rechnete sie schon halb damit, die Stimme der Auskunft zu hören, die ihr sagte, dass sie sich schon mal für einen längeren Aufenthalt in der Klapsmühle bereithalten sollte.
„Hallo?“
„Mary, Liebling, wie geht es dir?“
„Phyllis?“
Phyllis O’Rourke lachte. „Ja, ich bin’s wirklich. Aber so lange ist es nun auch wieder nicht her, seit wir miteinander gesprochen haben.“
Nur sechs Jahre … aber wer zählt schon so genau. „Entschuldige, ich war gerade abgelenkt.“
„Ja, ja, ich weiß, wie das ist“, sagte Phyllis. „Ich rufe wegen Hopes Geburtstag an. Ich wollte nur fragen, ob ihr schon irgendwelche Pläne habt, und falls nicht, würden Mike und ich euch gern alle zum Essen einladen.“
„Das klingt wundervoll“, erwiderte Mary. „Ich bespreche es mit Daniel und rufe dich dann gleich zurück, okay?“
„Ja, prima! Ich war mir nur nicht sicher, ob ihr schon etwas anderes vorhabt, und wollte mich nicht dazwischendrängen.“
„Großeltern können sich gar nicht dazwischendrängen.“
„Danke, das zu sagen ist wirklich lieb von dir“, gab Phyllis zurück. „Hör zu, Mike wartet auf mich. Du sagst mir nachher Bescheid, okay? Bis später dann.“
„Ja, bis später.“ Mary legte auf und konnte es kaum fassen, wie erfreulich das Gespräch mit Phyllis verlaufen war. Mit ihrer Schwiegermutter, die früher keine Gelegenheit ausgelassen hatte, ihr eins reinzuwürgen.
Sie wollte sich eben das Fotoalbum wieder aus dem Bücherregal holen, als das Telefon schon wieder klingelte. Diesmal war sie ein bisschen gefasster.
„Hallo?“
„Hallo, schöne Frau … ich bin’s.“
Erleichtert wich Mary zurück, bis sie eine Stuhlkante in den Kniekehlen spürte.
„Oh, du bist es.“
„Was hast du denn geglaubt, wer es ist?“ Sie hörte die Belustigung in Daniels Stimme mitschwingen.
„Deine Mutter hat eben angerufen. Sie wollte wissen, ob wir nicht Lust haben, an Hopes Geburtstag zum Essen zu kommen.“
„Und was hast du gesagt?“
„Dass ich sie zurückrufe.“
„Mach irgendwas mit ihr aus, meinen Segen hast du jedenfalls“, sagte er. „Bist du sehr beschäftigt?“
„Nicht direkt. Bevor Phyllis anrief, habe ich ein bisschen in dem alten Fotoalbum geblättert.“
Er lachte. „Hör zu, Honey … ich habe nicht viel Zeit, ich muss gleich ins Gericht. Ich wollte dir nur rasch Bescheid sagen, dass Reese Arnaud angerufen hat. Er möchte Hope ein paar Fragen zu dem Mann stellen, der sie gestern bei der Schule angesprochen hat.“
„Reese Arnaud?“, fragte Mary verständnislos, weil sie mit dem Namen kein Gesicht verbinden konnte.
Daniel runzelte die Stirn. Marys Blackouts begannen ihn langsam zu beunruhigen.
„Na, Mollys Vater. Du weißt schon, Hopes beste Freundin Molly. Er arbeitet bei der Polizei, erinnerst du dich?“
Marys Magen verkrampfte sich. „Bei der Polizei … Gott … ja … natürlich, das hatte ich ganz vergessen. Oh, Daniel, sie denken doch
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