Julia präsentiert Träume aus 1001 Nacht 04
keinen der vielen Gedanken, die ihr durch den Sinn gingen, in Worte zu fassen. Es gab noch etwas anderes, was sie da draußen wahrgenommen hatte. Vielleicht war das noch gefährlicher.
Die Todesgefahr war vorübergegangen, aber eine andere Bedrohung lag in der Luft. Sie spiegelte sich in Arashs Augen wider und in ihrem eigenen Verlangen, sich an ihn zu schmiegen, um sich zu vergewissern, dass er wirklich da war.
Sein Griff um ihre Arme wurde fester. Ihre Brüste hoben und senkten sich mit jedem bebenden Atemzug. Sie hatte das Gefühl, dass die Sekunden zu Minuten wurden. Jede Bewegung seiner Lider, das Zucken eines Muskels am Kiefer und das Klopfen des Pulses am Hals nahm sie deutlicher wahr. Er wollte wohl etwas sagen, öffnete den Mund und schloss ihn wieder.
Sie erinnerte sich an ein anderes Mal, als er sie so festgehalten hatte, als ihr Leben scheinbar aus dem Gleichgewicht geraten war. Ich kann dir nichts bieten, hatte er damals gesagt.
Und es hatte gestimmt.
Lana schloss die Augen, wandte den Blick ab und merkte, wie sein Griff sich kurz verstärkte, ehe er sie freigab.
Beide beschäftigten sich mit dem Ausziehen ihrer Stiefel und Jacken. Dann traten sie an den niedrigen Tisch, wo die Lampe brannte und die Kohlenpfanne anheimelnd glühte.
Das Brot war jedoch angebrannt.
Arash bückte sich, zog die beiden Stücke naan von der Kohlenpfanne und ließ sie mitten auf den Tisch fallen. Obwohl das Brot stark verbrannt roch, verspürte Lana mit einem Mal einen mächtigen Hunger.
Sie ließ sich auf die Kissen fallen, nahm sich ein Stück und brach sich etwas davon ab. Sie tunkte den Happen in die Schale mit Hummus, die sie auf den Tisch gestellt hatte.
„ Bism Allah “, murmelte sie und schob sich den Bissen in den Mund. Das Brot knisterte auf ihrer Zunge. Sie schnappte nach Luft und fächelte sich etwas Kühle zu.
„O das schmeckt!“, behauptete sie, nachdem sie es gegessen hatte. „Ich habe solchen Hunger. Du nicht?“
Arash stand im Schatten und atmete tief durch. „Ja“, gab er zu. „Ich bin halb verhungert.“
Zu ihrer Erleichterung nahm er Platz und griff nach dem Brot.
Sie hatte etwas von dem Essen auf den Tisch gestellt, das sie mitgebracht hatten, und nach ein paar Bissen naan , rührte Arash das kalte Lammfleisch mit Tomaten unter den kochenden Reis.
Er holte ein paar Gewürze aus dem Schrank und streute eine Prise davon über das Gericht. Bei dem köstlichen Aroma, das Lana in die Nase stieg, knurrte ihr gleich der Magen, und sie griff unbewusst nach der Gabel, während sie Arash abwartend zuschaute, wie er das Essen auf die Teller verteilte. Die körperliche und geistige Anstrengung, die sie durchgemacht hatte, hatte bei ihr einen schrecklichen Hunger ausgelöst.
„Glaubst du, Suhail und Sulayman könnten sich da draußen im Sturm verirrt haben?“, fragte sie leise, während sie aßen. Arash schenkte ihnen den traditionellen Tee ein.
Arash runzelte überrascht die Stirn. „Nein“, antwortete er.
Lana presste die Lippen aufeinander und überlegte, ob er auf eine Gelegenheit wartete, über das zu reden, was ihn beschäftigt hatte.
„Aber du wolltest sie doch retten.“
Er musterte sie aufmerksam. „Nicht retten. Nach Hause bringen.“
„Aber warum?“
Seine Augen funkelten.
„Du weißt, was mich hinausgetrieben hat. Warum willst du darüber reden?“
Sie verstand nicht, was er damit meinte. Glaubte er, Alinor hätte ihr etwas gesagt?
„Nun, dann kann ich nur raten. Ich dachte, du möchtest es dir vielleicht von der Seele reden …“
„Was könnte dümmer und gefährlicher sein, als das jetzt zu versuchen?“, entgegnete er.
Sie schlang ihre Arme um ihre Schultern. „Warum sollte es dumm sein?“ Sie befeuchtete ihre Lippen. „Das verstehe ich nicht, Arash. Und wenn du glaubst, mir hätte jemand etwas erzählt, das ist nicht der Fall.“
„Erzählt?“, wiederholte er ungläubig. „Was müsstest du denn erzählt bekommen? Du weißt es doch.“
Sie fühlte sich unangenehm berührt und schüttelte stumm den Kopf.
Er schaute ihr in die Augen. „Was glaubst du denn, was es gewesen wäre?“
Sie zuckte mit den Schultern. „Mein Onkel war im Krieg. Hinterher hatte er Erinnerungen daran, die er nicht mehr unter Kontrolle hatte. Manchmal hat er irgendetwas gehört und geriet außer sich.“
Jetzt, als sie ihm in die Augen schaute, erkannte sie, dass sie sich geirrt hatte. Es lag nicht der Schatten in seinem Blick, wie sie ihn bei ihrem Onkel gesehen
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