Julia präsentiert Träume aus 1001 Nacht 04
war immerhin Prinz Omar ibn Daud ibn Hassan al Quraishi, Herrscher von allem, was er überblicken konnte.
Er schaute sie an, und da sah sie zum ersten Mal seine Augen aufflackern wie an jenem Abend, als sie sich am Pool begegnet waren. Sie sah die Regung, konnte aber nicht sagen, welches Gefühl sie ausgelöst hatte. Wut? Verärgerung? „Ich werde Sie hier festhalten“, versprach er leise. „Für die gesamte Laufzeit des Vertrags.“
Ein Schauer rieselte ihr über den Rücken. Sollte er sie praktisch gefangen nehmen, sie von der Welt abschneiden, wer würde es erfahren? Es mochte einen Monat dauern, ehe sich jemand zu Hause ernsthaft Sorgen machen würde.
„Das werden Sie nicht!“ Jana sprang so hastig auf, dass ihr Stuhl hinterrücks umfiel. Sofort tauchte aus einer der dunklen Ecken der Terrasse ein Lakai auf, der jedoch vom Prinzen weggeschickt wurde.
Omar trat hinter sie und hob den Stuhl auf. „Setzen Sie sich, Miss Stewart“, herrschte er sie an.
Eine fast greifbare Spannung lag in der Luft, als er so dicht bei ihr stand. Auf einmal streckte er seine Arme aus und umfasste ihre bloßen Oberarme. „Bitte, setzen Sie sich.“
Vermutlich wirkte seine Berührung auf ihrer Haut nur so elektrisierend, weil sie sonst nicht in engen Kontakt gerieten. Von Natur aus war Jana herzlich, küsste und umarmte Freunde auch. Aber jetzt wurden ihre Knie weich, und scheinbar gehorsam nahm sie Platz.
Einen Augenblick später ließ er sie los, und beide atmeten tief durch. Prinz Omar kehrte zu seinem Stuhl zurück und wirkte so reserviert wie zuvor.
„Im Harem hat kein Mann Macht, und ein König ist ein Narr, wenn er etwas anderes glaubt. Was meine Wachen betrifft, da lässt sich etwas machen.“
Er läutete einen Diener herbei. Auf einen Befehl wurde ihm ein wunderschönes, antikes Silbertablett mit Papier, Stift, silbernem Tintenfass, einer silbernen Streichholzschachtel und einem roten Wachsstift gebracht.
Zu Janas Verwunderung schrieb Prinz Omar schwungvoll ein paar Zeilen in arabischer Schrift auf ein Blatt Papier und setzte seine Unterschrift darunter. Danach zündete er ein Streichholz an, nahm den roten Wachsstift und ließ etwas davon über dem Papier schmelzen.
Als sich ein dicker Klecks davon auf dem Papier angesammelt hatte, zog Omar seinen goldenen Siegelring aus und drückte ihn hinein. Er hob das Dokument hoch, bedeutete dem Diener, das Tablett wegzunehmen, und reichte Jana das Blatt.
Einen Augenblick lang saß Jana verblüfft da. Fast war es wie ein Ritual aus einem vergangenen Jahrhundert. Was sie da in der Hand hielt, war wohl eine besiegelte, königliche Erlaubnis. „Was steht da?“
„Dass Sie in Ihrer Aufgabe, den Prinzessinnen Englisch beizubringen, nicht behindert werden dürfen“, erklärte er.
„Danke, Durchlaucht“, erwiderte sie.
„Sie müssen sich allerdings immer von einem bewaffneten Leibwächter begleiten lassen, sobald Sie mit den Prinzessinnen die Palastmauern verlassen“, bemerkte er.
„Selbstverständlich.“ Sie legte das Dokument sorgfältig neben ihre Handtasche. Plötzlich kam in ihrem Hinterkopf ein Gedanke auf, der zu einem Plan heranreifte.
Jana wollte mit den Prinzessinnen zum Lake Parvaneh durchbrennen und dort Ferien machen, auch wenn damit nur die Hälfte ihres Traums in Erfüllung ging. Für Prinz Omar würde sie eine Nachricht hinterlassen, damit er wusste, wo sie waren, und ihn bitten, ihnen niemanden nachzuschicken.
Natürlich war das ein verrückter Plan. Falls der Prinz sehr zornig werden würde oder glaubte, sie hätte die Mädchen entführt, mochte er ihr Polizei oder Soldaten hinterherschicken. Sie würde vermutlich sofort nach Hause geschickt werden, oder aber hingerichtet.
Kamala und Masha besaßen ein Bild von dem Haus am Lake Parvaneh. Selbst waren sie nicht auf dem Schwarzweißfoto, das vermutlich schon in den Sechzigern oder Siebzigern aufgenommen worden war und auf dem das Haus mit einem Teil des Sees sowie den Bergen im Hintergrund abgebildet war. Die Mädchen beharrten darauf, dass sie dort mit ihrem Vater gewesen wären und dass es ihm gehörte.
Das Haus übte einen Zauber auf Jana aus, dem sie allein vom Foto her verfiel. Trotz ihrer impulsiven Ideen ging Jana systematisch an die Ausführung ihres Plans.
Zuerst holte sie unauffällig bei Salimah Erkundigungen ein. Ihre persönliche Dienerin war die einzige andere Angestellte im Palast, die Englisch sprach und mit der sie täglich in Kontakt kam. Mittlerweile hatten die beiden sich
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