Julia präsentiert Träume aus 1001 Nacht 05
Es handelte sich um die gesammelten Gedichte von Robert Browning an Elizabeth Barrett.
Auf der ersten Seite fand sie eine handschriftliche Eintragung.
„Für meine geliebte Elisabeth.“
Plötzlich traten ihr Tränen in die Augen. Die Inschrift war schlicht, aber für sie waren die Worte mehr wert als alle Erstausgaben der Welt zusammen. Dieses Buch war ein Geschenk der Liebe. Sie legte es nachdenklich wieder zurück und besah sich das zweite Exemplar aus dem Stapel.
Es war ein französisches Buch, dessen Verfasser sie nicht kannte. Auch dieser Band war einer gewissen Elisabeth gewidmet. Über der Unterschrift befand sich das vertraute Siegel des Herrschers von Zuran.
Ihr Herz setzte einen Moment lang aus. Das konnte nur bedeuten, dass die Bücher aus dem Palast stammten. Und dass diese Elisabeth, wer auch immer sie sein mochte, von einem Prinzen königlichen Geblüts geliebt worden war.
Sie griff nach dem nächsten Band, einem Buch in arabischer Sprache.
Katrina musste keine Expertin sein, um zu wissen, dass die Bücher ein Vermögen wert waren. Noch wichtiger war in ihren Augen jedoch der persönliche Wert, den sie besaßen. Diese Bücher waren ein Geschenk der Liebe gewesen, das Geschenk eines Mannes an eine Frau, die er tief verehrte.
Man spürte förmlich, dass die Eigentümerin sie in hohen Ehren gehalten hatte. Aber jetzt befanden sie sich in Xanders Besitz, und Katrina hatte keinen Zweifel, auf welchem Weg sie dorthin gelangt waren. Wahrscheinlich hatte er sie gestohlen!
Plötzlich fröstelte sie. Aber warum war sie entsetzt? Die Entdeckung sollte sie eigentlich nicht überraschen. Sie hatte doch schon immer gewusst, dass Xander ein Dieb war.
Der Zwischenfall in der Gasse im Souk, sein Vorhaben, Lösegeld für sie zu erpressen, die Tatsache, dass er Diebesgut besaß – all dies war kein Grund für sie, sich so elend zu fühlen. Es bestätigte nur ihre Einschätzung seines Charakters. Langsam legte sie das Buch wieder in die Kiste zurück.
„Was, zum Teufel, machst du da?“
Sie hatte Xander gar nicht hereinkommen hören und zuckte erschrocken zusammen. Die Wut in seiner Stimme ließ sie erbeben. Aber sie dachte nicht daran, jetzt klein beizugeben. Daher stand sie rasch auf und wandte sich zu ihm um, bereit, ihn mit dem Diebstahl zu konfrontieren. Doch er ignorierte sie völlig und untersuchte stattdessen den Inhalt der Kiste. Dann schlug er den Deckel zu und schloss mit einem kleinen Schlüssel ab, den er am Gürtel trug.
„Was fällt dir ein, in meinen Sachen herumzuschnüffeln?“, fragte er aufgebracht.
„In deinen Sachen?“ wiederholte sie verächtlich. „Diese Bücher gehören dir doch gar nicht! Ich habe die Inschriften gesehen. Du hast sie von jemandem gestohlen, gib es zu!“
Xander konnte kaum glauben, was er da hörte. Katrina hatte es gewagt, in seinen persönlichen Sachen herumzustöbern – den wertvollen Erinnerungsstücken an seine Eltern –, und nun wagte sie es, ihm vorzuwerfen, er hätte sie gestohlen. In seiner Wut vergaß er die Gründe, aus denen sie seine Ehrlichkeit hätte anzweifeln können. Er dachte nur daran, wie viel ihm diese Bücher bedeuteten. Denn es waren Geschenke seines Vaters an seine Mutter gewesen, bevor er sie gebeten hatte, ihn zu heiraten.
Er hatte immer gewusst, dass es sich dabei um etwas sehr Wertvolles handelte, schon als kleiner Junge. Deshalb hing er auch an den Büchern, weil sie für ihn den Geist seiner Mutter verkörperten. Sie standen für einen Teil von ihr, den er nicht gekannt hatte. Für ihn waren sie immer wie ein Talisman gewesen, und er hatte sie überallhin mitgenommen. Falls einer von El Khalids Leuten sie zufällig gefunden hätte, hätte er natürlich behauptet, sie gestohlen zu haben. Aber es gab das ungeschriebene Gesetz unter den Banditen, dass sie die Privatsphäre des anderen respektierten. Das galt auch für seine Besitztümer.
Katrina kannte dieses Gesetz jedoch nicht, und es bedeutete ihr nichts. Die Frau, die ihn mehr schlaflose Nächte gekostet hatte als jede andere, hatte die Stirn, ihn anzuklagen, er hätte diese Bücher gestohlen. Das war unglaublich!
„Diese Bücher gehören mir“, sagte er grimmig.
Sie sah ihn verächtlich an und schüttelte den Kopf.
„Das ist unmöglich. Sie sind ein Vermögen wert und gehören eigentlich ins Museum. Es handelt sich ausschließlich um Erstausgaben.“
Sie war so eifrig bei der Sache, dass ihr gar nicht auffiel, welch verheerende Wirkung ihre Worte auf ihn hatten.
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