Julia präsentiert Träume aus 1001 Nacht 05
betrachten. Er musste unbedingt jedes Aufsehen vermeiden.
Aber da er bei der Landung dabei sein wollte, schlug er den Rückweg zum Lager ein.
Wie zu erwarten, löste die Ankunft des Hubschraubers eine Welle von Spekulationen aus. Neugierig scharten sich die Männer auf dem Versammlungsplatz.
Nach ein paar Minuten stieg ein Passagier aus. Obwohl er – statt eines italienischen Maßanzugs – das traditionelle Gewand trug und sich einen Bart hatte wachsen lassen, erkannte Xander ihn sofort, auch an seiner Gangart: Es war kein anderer als Nazir.
Also hatte er recht gehabt! Obwohl ihn das freute, wuchs sein Hass auf seinen Cousin noch weiter. Sein Halbbruder, der Herrscher, war ihm stets wohlgesinnt gewesen und hatte ihn mit Ämtern und Reichtümern überschüttet. Aber seine Machtgier war so groß, dass er dafür so weit gehen würde, den Mann, der ihm nur Gutes getan hatte, zu ermorden, um dann seinen Platz einzunehmen. Doch er hatte nicht mit Xander gerechnet. Er würde alles tun, um Nazirs Plan zu verhindern. Es freute ihn, dass er jetzt wenigstens die Möglichkeit hatte, Nazir im Auge behalten zu können.
In diesem Moment trat El Khalid aus seinem Zelt, um den Neuankömmling zu begrüßen. Er verbeugte sich tief vor ihm und hieß ihn willkommen. Unbemerkt trat Xander näher, in der Hoffnung, doch ein wenig von ihrem Gespräch zu belauschen.
Es war jetzt schon über eine Stunde her, dass Xander sie verlassen hatte. Katrina wurde es im Zelt allmählich langweilig.
Irgendwann stand sie auf und ging auf den Ausgang zu. Es gab keinen Grund für sie, Xanders Befehl zu gehorchen. Sie war schließlich nicht wirklich seine Frau. Die Hochzeit war nur eine Farce gewesen.
Gleichzeitig durfte sie eines nicht vergessen: Auch wenn sie nicht wirklich seine Frau war, war sie doch auf jeden Fall seine Gefangene.
Sie fragte sich, wie hoch das Lösegeld sein mochte, das er für sie fordern würde. Die Regierungsstelle, für die sie arbeitete, war nur ein kleines Ressort mit beschränkten Mitteln. Oder dachte er vielleicht, sie hätte eine Familie, die einen hohen Preis für ihre Freilassung zahlen würde? Es kam ja immer wieder vor, dass Geiseln genommen wurden und ihre Familien dann ein hohes Lösegeld zahlen mussten. Aber nie hätte Katrina gedacht, dass ihr selbst einmal ein solches Schicksal zustoßen würde.
Sie wünschte, sie hätte den Mut zu flüchten. Doch sie wusste, dass das Lager streng bewacht wurde. Selbst wenn es ihr gelingen sollte, die Wächter zu überlisten, würde sie nicht sehr weit kommen. Der Tod in der Wüste wäre ihr gewiss.
Natürlich konnte sie versuchen, ein Auto zu stehlen, aber dafür musste sie einen Wagen finden, den sie auch steuern konnte und der einen vollen Tank hatte.
Nein, das alles war recht unwahrscheinlich. Bestimmt war es am vernünftigsten, einfach zu bleiben, wo sie war.
Am vernünftigsten? Hatten denn ihre Motive etwas mit Vernunft zu tun? Oder ging es nicht in Wirklichkeit um ihren heimlichen Wunsch, von Xander …
Katrina musste plötzlich daran denken, dass sie sich im einundzwanzigsten Jahrhundert befanden. Auch Frauen gestand man inzwischen zu, Lust zu empfinden, ohne dass es gleich um Liebe ging. Frauen konnten genau wie Männer mit so vielen Partnern Sex haben, wie es ihnen beliebte, und niemand würde sich darüber aufregen. Sie konnten mit einem Mann schlafen und ihn am Morgen danach verlassen. Aber konnte sie das auch? Und – noch viel wichtiger – wollte sie das überhaupt?
Unruhig schritt Katrina im Zelt auf und ab. Sie war so in Gedanken versunken, dass sie nicht auf ihre Umgebung achtete. Plötzlich stolperte sie unversehens und stieß mit dem Fuß gegen eine Holzkiste, die neben dem Diwan stand.
Stirnrunzelnd kniete sie sich nieder, um die Kiste aus dem Weg zu schieben. Aber ihre Neugier war geweckt, und sie fragte sich, was sich wohl in der Truhe befinden mochte. Langsam hob sie den Deckel.
Kein Wunder, dass die Kiste so schwer war, denn sie war voller Bücher. Erstaunt betrachtete Katrina diese und entdeckte sehr bald, dass es sich nicht um gewöhnliche Bücher handelte. Dies waren richtige Kunstwerke, die einer Bibliothek alle Ehre gemacht hätten. Es waren Bücher, wie sie einem Sammler von Erstausgaben gehören mochten, mit dicken Ledereinbänden und goldverzierten Lettern. Bestimmt hatte der Besitzer einen hohen Preis dafür gezahlt. Staunend besah sich Katrina ein Exemplar. Es war eine Erstausgabe, wie sie gedacht hatte, ein seltenes Sammlerstück.
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