Julia präsentiert Träume aus 1001 Nacht 05
zwar sowohl um seiner wie auch um ihrer Sicherheit willen. Wenn Nazir ins Lager zurückkehrte – was er Xanders Ansicht nach ganz sicher tun würde –, durfte er sie auf keinen Fall sehen. Denn er hätte sich bestimmt sofort gefragt, was eine Europäerin hier zu suchen habe. Falls er ein Sicherheitsrisiko in ihr sah, würde er sie ohne die geringsten Skrupel sofort umbringen. Xander war sich dessen ganz sicher, daher musste er für ihren Schutz sorgen. Als Frau eines Tuareg würde sie keinen Verdacht erregen, und sie würde auch für Nazir keine Gefahr darstellen.
„Du musst die Bhurka zu deiner eigenen Sicherheit tragen“, sagte er ruhig.
Einen Moment lang hatte Katrina das Gefühl, als läge ihm ihr Wohl tatsächlich am Herzen.
„Meinst du wegen Sulimen?“, fragte sie ängstlich.
Er trat sofort einen Schritt auf sie zu, wie um sie zu beruhigen. „Seinetwegen musst du dir keine Sorgen machen, er wird dir nichts tun. Darauf gebe ich dir mein Wort. Aber die anderen Frauen werden von dir erwarten, dass du dasselbe Gewand trägst wie sie, und die Männer werden erwarten, dass du dich wie meine Frau kleidest. Glaub mir, es ist wirklich nur zu deinem Schutz.“
Katrina spürte instinktiv, dass er die Wahrheit sagte. Erneut reagierte sie auf sein Mitgefühl, das sie berührte. Sie streckte die Hand aus und nahm die Bhurka von ihm entgegen. Dann zog sie diese über und rümpfte die Nase, als sie das starke Parfüm roch.
Xander war sehr erleichtert. Jetzt musste er sich ihr gegenüber auch nicht mehr verstecken, denn es hatte ihn große Mühe gekostet, ihr nicht zu zeigen, wie sehr ihre Nähe und die körperliche Wirkung, die sie auf ihn ausübte, ihn aus dem Gleichgewicht brachten.
Die andere Frau musste viel größer sein als sie, denn die Bhurka war Katrina um einiges zu weit. Aber schließlich hatte sie den Stoff so arrangiert, dass sie sich darin bewegen konnte. Xander ließ sie dabei in Ruhe und ging hinüber ins Schlafgemach. Wenige Minuten später kehrte er mit einem großen Betttuch zurück.
Verwundert sah sie ihm dabei zu, wie er es auseinanderfaltete, seinen Dolch herausholte und sich dann mit einem schnellen Schnitt eine kleine Wunde am Oberarm zufügte. Die Wunde fing sofort zu bluten an, und er wischte das Blut am Tuch ab.
„Was machst du denn da?“, fragte sie entgeistert.
„Das gehört zu unserer Tradition. Unter den Nomaden ist es üblich, den anderen Mitgliedern des Stammes am Morgen nach der Hochzeitsnacht ein blutverschmiertes Tuch zu zeigen – als Beweis dafür, dass die Braut noch Jungfrau war. Wenn wir diesen Beweis nicht liefern, wird das sowohl deinen Ruf als unbefleckte Braut wie auch meinen als dein Ehemann beschädigen.“
Sie sah ihn sprachlos an, ihr fehlten die Worte. Das war ja furchtbar! Nach allem, was er ihr gerade erzählt hatte, würde es ihr unmöglich sein, sich jemals wieder in der Öffentlichkeit zu zeigen.
„Was ist los?“, fragte Xander sie alarmiert, als sie die Bhurka wieder auszog.
„Nichts, ich … ich habe gemerkt, dass ich keinen Hunger mehr habe.“
Er sah sie an, und plötzlich brach es aus ihr heraus: „Glaubst du wirklich, ich würde unter normalen Umständen zulassen, dass du mit diesem Tuch die Neugier anderer Leute befriedigst? Kannst du dir überhaupt vorstellen, wie ich mich dabei fühle?“
Sie fürchtete, im nächsten Moment in Tränen auszubrechen, und gab sich alle Mühe, dies zu verhindern. Jetzt durfte sie auf gar keinen Fall die Nerven verlieren. Ihr war klar, dass sie von seiner Seite kein Mitgefühl zu erwarten hatte.
„Du kannst uns nicht nach europäischen Maßstäben beurteilen. Hier geht es nicht um Moral. Diese Sitte hat den Zweck, dein Geschlecht zu beschützen, und nicht, es zu demütigen.“
„Das verstehe ich nicht“, erwiderte sie kopfschüttelnd.
„Dann will ich es dir erklären. Vergiss nicht, das Leben der Nomaden ist sehr gefährlich. Oft kommen Menschen bei den Stammeskämpfen ums Leben. Starb früher ein Mann, so konnte seine Familie sich weigern, sein Kind aufzuziehen, wenn sie nicht ganz sicher wusste, dass die Frau bei der Hochzeit noch Jungfrau gewesen war. Der Beweis für die Jungfräulichkeit einer Frau beschützt ihre Ehre und die Ehre ihrer Familie. Eine Tuaregfrau in deiner Position wäre normalerweise stolz darauf, unbefleckt in die Ehe gegangen zu sein, und ihr wäre daran gelegen, dass alle dies erfahren.“
„Schon möglich, aber ich bin nun einmal keine Tuaregfrau“, erwiderte
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