Julia präsentiert Träume aus 1001 Nacht 3
schien es so, als seien sie die einzigen Menschen in dem Palast.
„Ich verstehe nicht …“, erwiderte sie. Wieder verspür te sie einen Adrenalinstoß. Dieses Mal aber war es nicht das Verlangen nach Rashid. Es war vielmehr Wut über die seltsame Begrüßung. Wenn er wollte, dass sie seine Frau wurde, musste er sich schon ein wenig liebevoller zeigen.
Jenna trug eine Jeans und eine sommerlich leichte Blu se. Dazu hatte sie ein dezentes Make-up aufgelegt. Und sie hatte sich die Haare kurz schneiden lassen, wie das jetzt in New York Mode war. Sie hätte selbst nicht zu sa gen gewusst, ob sie das absichtlich getan hatte, um Rashid zu provozieren, doch jetzt begriff sie, was für einen seltsa men Eindruck das auf ihn machen musste. In Quador trug keine hochgestellte Frau Make-up oder Kleidung, die die weiblichen Formen betonte. Und das Haar wurde niemals kurz geschnitten, sondern fiel in langen Locken auf die Schultern, wenn es nicht unter weiten Gewändern ver steckt wurde.
Eine Frau, die sich so kleidete wie sie, konnte für Rashid nur eine Geliebte, nicht aber eine würdige Ehefrau sein. So war das Bild der Frau, das sich die Männer hier mach ten. Jenna aber sagte sich, dass sie dafür sorgen musste, dass der Scheich zu einem modernen Mann wurde. Sonst jedenfalls würde sie auf keinen Fall eine Ehe mit ihm ein gehen.
So weit aber war es ganz offensichtlich noch nicht, da Rashid scharf erklärte: „Wie kannst du es nur wagen, mir in dieser Aufmachung unter die Augen zu treten?“
„Gefällt es dir etwa nicht?“, fragte Jenna unschuldig.
Rashid hätte ihr am liebsten die Kleidung vom Körper gerissen. So hätte er sie nackt vor sich gehabt. Dann aber sagte er sich, dass es ihm wohl kaum gelingen würde, ei nen kühlen Kopf zu bewahren. Und den schien er mehr denn je zu brauchen. „Du siehst ja aus wie ein Obdachlo ser“, zischte er.
„Es würde mich wundern, wenn sich ein Obdachloser diese Kleidung leisten könnte“, entgegnete Jenna ruhig, da ihr Plan aufzugehen schien. „In New York sind diese Jeans der letzte Schrei und sündhaft teuer.“
„Das habe ich nicht gemeint, Jenna. Aber du siehst trotzdem aus, wie …“
„Wie eine Hure, wolltest du sagen?“
Rashid schien außer sich vor Zorn zu sein, doch es ge lang ihm, die Selbstbeherrschung zu wahren. „Warum trägst du nicht die traditionelle Kleidung der Frauen hier?“, fragte er.
„Weil ich direkt aus New York komme und mich dort immer so gekleidet habe. Und ich sehe wirklich nicht ein, was ich daran ändern sollte.“
„Was? Du warst die ganze Zeit über so angezogen?“
Jenna begriff, dass sie in eine gefährliche Situation ge raten war. Sicherlich war es nicht klug, ihn noch weiter zu reizen. Leise sagte sie: „Ich gehe und ziehe mich gleich um.“
„Oh nein, das wirst du nicht“, gab Rashid zurück. „Schließlich habe ich schon zu lange auf dich gewartet. Ab jetzt wirst du mich nur dann verlassen, wenn ich dir die Erlaubnis dazu gebe. Schließlich bin ich der Scheich hier, wie du schon richtig bemerkt hast.“ Dann atmete Rashid tief durch und beruhigte sich ein wenig. Freundli cher sagte er: „Aber ich denke, wir sollten erst einmal eine Tasse Tee trinken. Mach es dir bequem, und setz endlich diesen Hut ab.“
Jetzt kam es darauf an. Sicher würde Rashid einen Wut anfall bekommen, wenn er einsehen musste, dass Jenna zu einer modernen, selbstbewussten Frau herangewachsen war, die ihre Freiheit liebte. Deshalb hatte sie sich ja das Haar schneiden lassen. Sie zögerte ein wenig, doch schon herrschte Rashid sie an: „Setz endlich den Hut ab.“
Jenna tat wie geheißen. Offenbar verschlug es Rashid die Sprache. Sekundenlang starrte er sie ungläubig an. Dann sagte er scharf: „Du hast es wirklich gewagt und dir die Haare abgeschnitten.“
Einen Augenblick lang hatte Jenna beinah den Ein druck, dass er traurig klang, aber dann sagte sie sich, dass das vollkommen ausgeschlossen war. Zu solchen Gefühlen war er doch gar nicht fähig. Ihm ging es vor allem darum, dass die Traditionen gewahrt blieben. Schließlich erwi derte sie mit belegter Stimme: „Ja. Warum nicht?“
„Das wagst du zu fragen?“, platzte Rashid heraus, da es ihm offenbar immer schwerer fiel, nicht die Kontrolle zu verlieren. In seinen dunklen Augen blitzte es zornig auf. Schon hatte er einige Schritte auf Jenna zu gemacht und blieb dicht vor ihr stehen. „Warum hast du dir die Haare geschnitten? Willst du wie ein Mann aussehen und nicht mehr wie eine
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