Julia Quinn
hielt er sie für eine Verräterin, eine
Frau, die genau zu der Sorte Ungeziefer gehört, das seine geliebte Marabelle
getötet hat. Dann war er auf einmal Ihr Beschützer, was ihn nur daran
erinnern kann, wie sehr er seine Verlobte im Stich gelassen hat.«
»Aber er hat sie nicht im Stich
gelassen!«
»Natürlich hat er das nicht«,
pflichtete ihr James bei. »Doch das weiß er nicht. Und außerdem ist es ganz
offensichtlich, dass er Sie ziemlich anziehend findet.«
Caroline wurde rot und ärgerte sich
im selben Augenblick darüber.
»Das, denke ich«, fuhr James fort, »ist
genau das, was ihm am meisten Angst einjagt. Was, wenn – welch schreckliche
Vorstellung – er sich in Sie verliebt?«
In Carolines Augen war das keine so
schreckliche Vorstellung, aber sie behielt diesen Gedanken für sich.
»Können Sie sich jetzt ausrechnen,
auf wie viele Arten und Weisen er glaubt, Marabelle zu verraten? Er könnte nie
damit leben.«
Sie wusste nicht, was sie darauf
erwidern sollte, darum zeigte sie lediglich auf eines der Löcher in der Erde
und sagte: »Tun Sie den Strauch hier hinein.«
James nickte. »Sie werden ihm nichts
von unserer kleinen Unterhaltung erzählen, ja?«
»Selbstverständlich nicht.«
»Gut!« Dann tat er, wie ihm
aufgetragen.
7. KAPITEL
di/a/kri/tisch (Adjektiv). Unterscheidend, entscheidend unterschiedlich.
Man kann nicht leugnen, dass ein völliges Fehlen von Ordnung ein diakritisches Merkmal von Mr. Ravenscrofts Garten ist.
Aus dem persönlichen Wörterbuch von Caroline Trent
Am Ende des Tages hatte Caroline dafür gesorgt, dass ein
Teil des Gartens so aussah, wie ein Garten aussehen sollte. James war mit ihr
einer Meinung und gratulierte ihr zu ihrem ausgezeichneten Gespür für
Landschaftsgestaltung. Blake andererseits konnte kein noch so schwaches Lob abgerungen werden. Um genau zu sein, war der einzige Laut, der über seine Lippen
kam, als man ihn nötigte, die Arbeit des Tages zu begutachten, ein ersticktes
Gurgeln, das sich verdächtig wie »Meine Rosen« anhörte.
»Ihre Rosen waren völlig verwildert«,
hielt ihm Caroline vor, deren Geduld mit diesem Mann nahezu erschöpft war.
»Ich mochte sie verwildert«,
entgegnete er.
Und das war alles gewesen. Aber dann
überraschte er sie, indem er ihr zwei neue Kleider besorgte, um das eine zu
ersetzen, das sie aus Prewitt Hall mitgebracht hatte. Das bedauernswerte
Kleidungsstück hatte genug erleiden müssen, schließlich war sie darin
entführt worden, hatte es mehrere Tage getragen und es dann auch noch heute
im Garten praktisch durch den Schlamm gezogen. Caroline war sich nicht ganz
sicher, wann oder wo es ihm gelungen war, zwei fertig genähte Kleider aufzutreiben,
aber da sie ihr recht gut zu passen schienen, bedankte sie sich höflich und
ließ kein Wort der Klage darüber hören, dass der Saum ein klein wenig auf dem
Boden schleifte.
Sie nahm ihr Abendessen auf ihrem
Zimmer ein, weil sie sich einer erneuten Willensschlacht mit ihrem etwas mürrischen Gastgeber nicht ganz gewachsen fühlte. Außerdem hatte sie sich Nadel
und Faden von Mrs. Mickle besorgt und wollte möglichst rasch damit beginnen,
die Röcke ihrer neuen Kleider zu kürzen.
Es war Hochsommer, und die Sonne
schien noch lange über die Zeit hinaus, zu der Caroline ihr Supper aß, vom
Himmel. Als ihre Finger müde wurden, legte sie ihre Näharbeit nieder und ging
zum Fenster. Die Hecken waren jetzt ordentlich gestutzt und die Rosen so
zurückgeschnitten, wie es sich gehörte; James und sie hatten eindeutig
ausgezeichnete Arbeit geleistet. Caroline verspürte einen gewissen Stolz auf
ihr Werk und sich selbst, wie sie ihn schon lange nicht mehr erfahren hatte. Es
war bereits viel zu lange her, seit sie das Vergnügen gehabt hatte, eine
Aufgabe, die sie interessierte, zu beginnen und zufrieden stellend zu Ende zu
führen.
Dennoch war sie nicht davon
überzeugt, dass es ihr gelungen war, in Blakes Wertschätzung einen Platz als
hilfsbereiter und liebenswürdiger Gast zu erringen; ehrlich gesagt war sie
sich sogar ziemlich sicher, dass er sie für alles andere hielt. Morgen musste
sie also eine neue Aufgabe finden, vorzugsweise eine, die etwas mehr Zeit in
Anspruch nahm.
Er hatte ihr gesagt, dass sie bis zu
ihrem einundzwanzigsten Geburtstag in Seacrest Manor bleiben durfte, und sie
wollte verflucht sein, wenn sie es ihm erlaubte, einen Vorwand zu finden, sein
Versprechen nicht halten zu müssen.
Am nächsten Morgen machte sich Caroline mit vollem Magen an die
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