Julia Quinn
Erforschung von Seacrest Manor. Mrs. Mickle, deren volle Billigung
und Unterstützung sie mittlerweile errungen hatte, hatte sie im
Frühstückszimmer angetroffen und ihr immer neue Leckerbissen und Delikatessen
vorgesetzt. Omelettes, Würstchen, Nierenpasteten – einige der Gerichte, die
auf der Anrichte standen, kannte sie gar nicht. Mrs. Mickle schien gerüstet,
eine ganze Armee zu sättigen.
Nach dem Frühstück begann Caroline
sich dann nach einer neuen Aufgabe umzusehen, die sie während ihres Aufenthaltes in Mr. Ravenscrofts Haus beschäftigt hielt. Sie schaute erst in diesen, dann in
jenen Raum und landete schließlich in der Bibliothek. Sie war nicht sonderlich
geräumig, nicht wie die in anderen größeren Herrenhäusern, beherbergte aber
dennoch einige Hundert Bände. Die Lederrücken schimmerten im frühen
Morgenlicht, und der Raum duftete schwach nach Zitronen und frisch poliertem
Holz. Eine nähere Betrachtung der Regale zeigte jedoch, dass die Bücher
ungeordnet durcheinander standen.
Voilà!
»Ganz offensichtlich«, verkündete
Caroline sichtlich zufrieden dem leeren Zimmer, »braucht er jemanden, der
seine Bücher nach dem Alphabet sortiert.«
Sie zog einen Stapel Bücher heraus,
legte sie auf den Boden und studierte die Titel. »Ich weiß wirklich nicht,
wie er es so lange in einem solchen Chaos ausgehalten hat.«
Mehr Bücher fanden ihren Weg auf den
Boden. »Natürlich«, sagte sie mit einer allumfassenden Handbewegung, »ist es
nicht nötig, diese Stapel auf der Stelle zu sortieren. Dafür habe ich immer
noch genug Zeit, wenn ich erst einmal alle Regale ausgeräumt habe.
Schließlich bin ich noch fünf lange Wochen hier.«
Sie hielt inne, um einen Band, den
sie zufällig ausgewählt hatte, näher anzusehen. Es war eine mathematische
Abhandlung. »Faszinierend«, murmelte sie, während sie die Seiten umblätterte
und die unverständlichen Texte überflog. »Mein Vater sagte immer, ich sollte
mich mehr mit Mathematik beschäftigen.«
Sie musste unwillkürlich kichern. Es
war erstaunlich, wie langsam man eine Aufgabe erledigen konnte, wenn man nur
fest genug entschlossen war, sich Zeit zu lassen.
Als Blake an diesem Morgen zum Frühstück herunterkam,
erwartete ihn ein Festmahl von solchen Ausmaßen, wie er es noch nie zuvor, seit
er seinen Wohnsitz in Seacrest Manor aufgeschlagen hatte, vorgefunden hatte.
Seine morgendlichen Mahlzeiten bestanden gewöhnlich aus einem Spiegelei, ein
oder zwei Scheiben Schinken und etwas kaltem Toast. Das alles war auch jetzt
vorhanden, aber außerdem gab es Roastbeef, Seezunge aus Dover und eine Auswahl
von Pasteten und Törtchen, dazu angetan, dem Betrachter das Wasser im Munde zusammenlaufen
zu lassen.
Diese neuen, bis dahin unerreichten
Höhepunkte in Mrs. Mickles kulinarischem Schaffen waren ganz offensichtlich einer neuen Inspirationsquelle zu
verdanken. Blake zweifelte keinen Augenblick daran, dass diese
Inspirationsquelle Caroline Trent hieß.
Er beschloss, sich nicht darüber zu
ärgern, dass seine Haushälterin fest vorzuhaben schien, seinen Hausgast nach
Strich und Faden zu verwöhnen, sondern sich stattdessen lieber seinen Teller zu
füllen und sich an dem reichhaltigen Angebot zu freuen. Er verzehrte gerade
das köstlichste Erdbeertörtchen, als James in den Raum geschlendert kam.
»Dir einen wunderschönen, guten
Morgen«, begrüßte ihn der Marquis. »Wo ist Caroline?«
»Ich will verdammt sein, wenn ich
das weiß, aber der halbe Schinken ist schon weg, weshalb ich annehme, dass sie
bereits hier war, gegessen hat und wieder fort ist.«
James stieß einen anerkennenden
Pfiff aus. »Mrs. Mickle hat sich heute Morgen aber wirklich selbst übertroffen,
was? Du hättest Caroline schon früher bei dir einquartieren sollen.«
Blake bedachte ihn mit einem
finsteren Blick.
»Nun, du musst zugeben, dass deine
Haushälterin niemals solche Anstrengungen unternommen hat, dich so gut
zu ernähren.«
Er hätte gerne mit einer
unwahrscheinlich trockenen, beißenden Bemerkung geantwortet, aber bevor er sich
etwas auch nur einigermaßen Geistreiches ausdenken konnte, hörte man ein
gewaltiges Krachen, gefolgt von dem Schrei einer Frau – aus Überraschung? Oder
etwa aus Schmerz? Was auch immer der Grund für den Schrei war, er stammte
eindeutig aus Carolines Kehle, und Blake schlug das Herz bis zum Hals, als er
zur Bibliothek stürzte und die Tür aufstieß.
Er hatte angenommen, dass er von
seinem aufgewühlten Garten gestern ehrlich entsetzt gewesen
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