Julia Quinn
wohl?«
»Genau genommen nein«, antwortete
er, den Vorwand, den sie ihm lieferte, dankbar aufgreifend. »Mir ist die ganze
letzte Stunde schon ein wenig schwindelig gewesen. Darum bin ich auch über den
Nachttopf gestolpert.«
Sie legte ihm die Hand auf die
Stirn. »Du hast aber kein Fieber.«
»Es ist ganz gewiss nichts, was eine
Stunde Schlaf nicht kurieren könnte.«
»Vermutlich.« Penelope schürzte die
Lippen. »Aber wenn du dich morgen nicht besser fühlst, werde ich einen Arzt
rufen lassen.«
»Gut.«
»Vielleicht solltest du dich gleich
hinlegen.«
»Ja«, sagte er und schob sie
praktisch aus dem Ankleideraum. »Das ist ein ausgezeichneter Vorschlag.«
»In Ordnung. Warte, ich decke dir
das Bett auf.«
Blake seufzte erleichtert auf, als
er die Tür hinter sich ins Schloss zog. Er war ganz bestimmt nicht glücklich
über die jüngste Wendung der Ereignisse; das Letzte, was er gebrauchen konnte, war,
von seiner Schwester bemuttert zu werden. Aber es war eindeutig immer noch
besser, als wenn sie Caroline zwischen den Nachttopfscherben und den
Seifenstücken entdecken würde.
»Mr. Ravenscroft?«
Er sah auf. Perriwick stand in der
Tür, ein Silbertablett in den Händen, auf dem sich ein wahres Festmahl befand.
Blake begann heftig den Kopf zu schütteln, aber es war bereits zu spät.
Penelope hatte sich schon umgedreht.
»O Perriwick«, sagte sie, »was ist
das denn?«
»Essen«, platzte er heraus,
offensichtlich von ihrer Anwesenheit verwirrt. Er blickte sich um.
Blake runzelte die Stirn. Der
verfluchte Butler suchte nach Caroline. Perriwick mochte zwar diskret sein,
aber er war verdammt ungeschickt, wenn es um das Erfinden von Ausflüchten ging.
Penelope schaute ihren Bruder
fragend an. »Bist du hungrig?«
»Ah ... ja. Ich dachte, ich gönne mir
einen kleinen Nachmittagsimbiss.«
Sie hob den Deckel von einem der
Servierteller und enthüllte ein gewaltiges Stück
gerösteten Schinken. »Für einen Imbiss ist das aber ausgesprochen reichlich.«
Perriwicks Lippen verzogen sich zu
einem süßlichen Lächeln. »Wir hielten es für angebracht, Ihnen jetzt etwas
Gehaltvolleres zu bringen, da Sie heute Mittag nur nach einem leichten Mahl
verlangt haben.«
»Wie umsichtig von Ihnen«, bemerkte
Blake gedehnt. Er hätte schwören können, dass der Schinkenbraten ursprünglich
für das Supper vorgesehen gewesen war. Perriwick und Mrs. Mickle planten
vermutlich, all das gute Essen nach oben zu Caroline zu schicken und den »echten«
Bewohnern von Seacrest Manor die Küchenabfälle vorzusetzen. Sie hatten mit
ihrer Missbilligung nicht hinter dem Berg gehalten, als er sie von Carolines
neuer Unterkunft unterrichtete.
Perriwick wandte sich an Penelope,
während er das Tablett auf dem Tisch absetzte. »Wenn ich mir die Unverschämtheit herausnehmen darf, Mylady ...«
»Perriwick«, brüllte Blake. »Wenn
ich auch nur noch einmal die Worte, wenn ich mir die Unverschämtheit herausnehmen darf aus Ihrem Munde höre, dann, Gott sei mein Zeuge, werfe ich Sie in
den Ärmelkanal!«
»Ach du liebe Güte«, sagte Penelope.
»Vielleicht hat er doch Fieber. Was meinen Sie, Perriwick?«
Der Butler streckte seine Hand aus,
nur um sie fast abgebissen zu bekommen. »Fassen Sie mich an, und Sie
unterschreiben Ihr Todesurteil«, warnte Blake ihn.
»Ein wenig gereizt heute Nachmittag,
ja?« erkundigte sich Perriwick grinsend.
»Mir ging es ausgezeichnet, bis Sie daherkamen.«
Penelope sagte an den Butler
gewandt: »Er benimmt sich schon den ganzen Nachmittag so seltsam.«
Perriwick nickte. »Es wäre
wahrscheinlich besser, wenn wir ihn allein lassen. Ein wenig Ruhe wird genau
das Richtige sein.«
»Nun gut.« Penelope folgte dem
Butler zur Tür. »Wir werden dich in Ruhe lassen. Aber wenn ich herausfinden
muss, dass du dich nicht ausgeruht hast, werde ich sehr böse sein.«
»Ja, ja«, sagte Blake rasch und
versuchte sie aus dem Zimmer zu scheuchen. »Ich verspreche, mich auszuruhen.
Stör mich bloß nicht. Ich habe einen sehr leichten Schlaf.«
Perriwick ließ ein lautes Schnauben
hören, das mit seinem sonstigen würdevollen Auftreten alles andere als in
Einklang stand.
Blake schloss die Tür hinter den
beiden und ließ sich mit einem erleichterten Aufseufzen dagegen sinken. »Gütiger
Gott«, sagte er zu sich, »wenn das so weitergeht, bin ich noch vor meinem
dreißigsten Geburtstag ein Tattergreis.«
»Hmpf«, erklang eine Stimme aus dem
Ankleideraum. »Ich würde sagen, Sie sind auf
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