Julia Quinn
blickten
zwischen ihr und Mr. Ravenscroft hin und her, den sie noch nicht einmal kannten. Sie musste ihn den Kindern vorstellen. Bestimmt waren sie fassungslos über
ihre Reaktion, also sollten sie wenigstens wissen, wer da mit ihr in ihrem
Wohnzimmer stand.
»Susan, Jane, Lucas, das hier ist
Mr. Ravenscroft. Er ist ein Freund von ...« Sie schluckte. Beinahe hätte
sie gesagt »von Mr. Siddons«, aber das war ja nicht einmal sein richtiger Name. »Von Lady Danbury«, schloss sie. »Er war so freundlich, mich
nach Hause zu begleiten.« Ihre Geschwister murmelten eine Begrüßung, und
Elizabeth wandte sich wieder ihm zu. »Mr. Ravenscroft, das sind ...« Sie
unterbrach sich und sah ihn argwöhnisch an. »Ich sage Mr. Ravenscroft,
stimmt, das überhaupt? Oder verbergen Sie auch irgendeinen Titel?«
Er schüttelte lächelnd den Kopf.
»Leider nur ein einfacher Mr., aber wenn Sie es für nötig halten, füge ich
hinzu, dass mein Vater Viscount ist.«
Elizabeth wollte ebenfalls lächeln,
weil sie wusste, dass er versuchte, sie aufzuheitern, aber es gelang ihr nicht.
Stattdessen sagte sie mit fester Stimme zu ihren Geschwistern: »Wir können
das nicht annehmen.«
»Aber ...«
»Es geht nicht.« Sie wusste
nicht einmal, wer von den dreien den Einwand gewagt hatte, so schnell hatte sie
ihn abgewehrt. »Es ist zu viel. Diese Art von Wohltätigkeit können wir nicht
akzeptieren.«
Jane war offensichtlich anderer
Meinung. »Glaubst du denn nicht, dass der, der dahinter steckt, wollte, dass
wir das Geld bekommen?«
Elizabeth schluckte. Wer konnte
schon sagen, was James damit beabsichtigt hatte? Wie sollte man wissen, was in
seinem Kopf vorging, nach all dem, was er bereits getan hatte? »Sicher, sonst
würden ja nicht unsere Namen auf dem Brief stehen. Aber das ist nicht von
Bedeutung. Wir können kein Geld von einem Fremden annehmen.«
»Vielleicht ist es ja gar kein
Fremder«, gab Susan zu bedenken.
»Umso schlimmer!« rief
Elizabeth. »Mein Gott, könnt ihr euch das vorstellen? Irgendein
Mensch, der uns wie Marionetten behandelt, an unseren Strippen zieht und
glaubt, er könne unser Schicksal beherrschen? Das ist doch krank. Einfach
krank.«
Stille trat ein, und dann das
schrecklichste Geräusch von allen – Lucas, dem es nicht gelang, ein Schluchzen
zu unterdrücken. »Heißt das, dass ich nicht nach Eton gehen kann?«
wisperte er und sah Elizabeth aus herzzerreißend großen Augen an.
Elizabeths Kehle war wie
zugeschnürt. Sie versuchte, Lucas zu erklären, dass er nicht gehen konnte, sie musste ihm klarmachen, dass sie James' Geld nicht annehmen konnten, aber sie
brachte die entscheidenden Worte nicht heraus.
Sie stand einfach nur da und
betrachtete das unglückliche Gesicht ihres Bruders. Er gab sich solche Mühe,
seine Enttäuschung nicht zu zeigen. Seine dünnen Arme hielt er stocksteif an
den Körper gepresst, und er hob trotzig das Kinn, als fiele es ihm dadurch
leichter, seine Tränen zurückzuhalten. Das war der Preis für ihren Stolz ...
Sie bückte sich, um ihn in den Arm
zu nehmen. »Das mit Eton weiß ich noch nicht. Vielleicht schaffen wir das ja
trotzdem irgendwie.«
Doch Lucas wich zurück. »Wir können
es uns nicht leisten. Du versuchst, das vor uns zu verbergen, aber ich weiß
es. Ich kann nicht nach Eton gehen. Ich werde nie dort hingehen können.«
»Das stimmt nicht.« Sie zeigte
vage auf den Brief. »Vielleicht bedeutet das ja etwas ganz anderes.« Sie
lächelte matt. Sie hatte ohne jede Überzeugung gesprochen, und sogar ein
Achtjähriger – gerade ein Achtjähriger – konnte durchschauen, dass sie
gelogen hatte.
Einen qualvollen Moment lang sah
Lucas sie nur schweigend an. Dann schluckte er. »Ich gehe zu Bett.«
Elizabeth versuchte nicht einmal,
ihn aufzuhalten. Es gab nichts mehr, was sie noch sagen konnte.
Jane folgte ihm wortlos, sogar ihr
kleiner blonder Zopf schien irgendwie traurig herabzuhängen.
Elizabeth warf Susan einen Blick zu.
»Hasst du mich?«
Susan schüttelte den Kopf. »Nein,
aber ich verstehe dich nicht.«
»Wir können es nicht annehmen,
Susan. Wir wären unserem Wohltäter bis ans Ende unseres Lebens
verpflichtet.«
»Was für eine Rolle spielt das
schon? Wir wissen ja nicht einmal, wer er ist!«
»Ich will ihm nicht verpflichtet
sein«, beharrte Elizabeth hitzig. »Ich will nicht.«
Susan wich einen Schritt zurück. »Du
weißt, wer er ist!« stellte sie plötzlich verstehend fest. »Du weißt, wer
uns das geschickt hat.«
»Nein«, behauptete
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