Julia Quinn
wurden laut, und James trat in
Aktion.
»Guten Tag, Miss Hotchkiss«,
rief er und kreuzte ihren Weg.
»Huch!« Sie erschrak heftig.
»Ich habe Sie gar nicht gesehen.«
Er lächelte. »Ich bitte um
Verzeihung, wenn ich Sie erschreckt haben sollte.«
Sie schüttelte den Kopf und wurde
rot.
Mit Mühe unterdrückte er ein
triumphierendes Schmunzeln. Irgendetwas hatte sie angestellt. Ohne Grund
errötete niemand so stark.
»Nein, nein, das ist schon in
Ordnung. Ich ... ich muss wirklich besser aufpassen, wo ich hingehe.«
»Was führt Sie denn hierher nach
draußen?« erkundigte er sich. »Ich hatte den Eindruck, dass die meisten
Ihrer Pflichten Ihre Anwesenheit im Haus erforderten?«
»So ist es auch. Aber man hat mich
geschickt, Sie zu suchen. Lady Danbury möchte Sie sprechen.«
James' Augen wurden ganz schmal. Er
glaubte ihr durchaus; sie war offensichtlich zu klug, um eine Lüge zu verwenden, die jederzeit aufgedeckt werden konnte. Doch warum hatte sie sich dann
in sein Haus geschlichen?
Die Kleine heckte irgendetwas aus.
Und im Interesse seiner Tante musste er herausfinden, was das war. Er hatte
schon früher Frauen verhört, und er hatte sie stets dazu bringen können, ihm
alles zu erzählen, was er wissen wollte. Seine Vorgesetzten im
Kriegsministerium hatten sogar oft darüber gelacht, wie erfolgreich er es
verstand, Frauen zu verhören. Er wusste schon lange, dass sich Frauen ganz
anders verhielten als Männer. Sie waren im Allgemeinen ziemlich mit sich selbst
beschäftigt. Man musste eine Frau nur nach etwas über sich selbst fragen, dann
verriet sie meist sehr schnell ihre ganzen Geheimnisse. Natürlich gab es ein,
zwei Ausnahmen, zum Beispiel Lady Danbury, aber ...
»Stimmt etwas nicht?« wollte
Miss Hotchkiss wissen.
»Wie bitte?«
»Sie waren so schweigsam«,
erklärte sie und nagte an ihrer Unterlippe.
»Ich war nur in Gedanken«,
erklärte er. »Ehrlich gesagt, ich kann mir nicht vorstellen, was Lady Danbury
von mir will. Ich war heute schon bei ihr.«
Darauf wusste Elizabeth auch keine
Antwort. »Ich weiß es nicht«, meinte sie schließlich. »Ich halte es
inzwischen für das Beste, Lady Danburys Motive nicht zu hinterfragen. Ks ist
viel zu anstrengend, wenn man versuchen will herauszufinden, wie sie denkt.«
Gegen seinen Willen musste er
lachen. Er wollte keine Sympathien für diese Miss Hotchkiss entwickeln, aber
sie schien mit einer seltenen Mischung aus Takt und Humor gesegnet zu sein. Und
ganz sicher hatte sie die beste Art und Weise entdeckt, wie man mit seiner
Tante umgehen musste. Man musste ihr gegenüber nachsichtig sein und dann
einfach tun, wozu man Lust hatte – er selbst hatte die besten Erfahrungen damit
gemacht.
Er bot ihr den Arm und war fest
entschlossen, seinen ganzen Charme spielen zu lassen, bis sie ihm alle ihre
Geheimnisse verriet. »Begleiten Sie mich zum Haus zurück? Vorausgesetzt
natürlich, dass Sie hier sonst nichts mehr zu erledigen haben?«
»Nein.«
Er zog erstaunt die Brauen hoch.
»Ich meine, nein, ich habe nichts
mehr zu erledigen.« Sie lächelte schwach. »Und ja, ich begleite Sie sehr
gern.«
»Wunderbar«, erwiderte er
galant. »Ich kann es gar nicht abwarten, unsere Bekanntschaft zu
vertiefen.«
Elizabeth atmete tief durch und nahm
seinen Arm. Bei ihrer letzten Bemerkung hatte sie ein wenig gepatzt, aber
abgesehen davon fand sie, dass sie sich bewundernswert sorgfältig an Mrs.
Seetons Regeln hielt. Sie hatte sogar Mr. Siddons zum Lachen gebracht, und
darüber stand bestimmt auch etwas in diesem Buch. Falls nicht, war das ein
echtes Versäumnis, denn sicherlich mochten Männer Frauen, die sich humorvoll
und geistreich ausdrücken konnten. Sie runzelte die Stirn. Vielleicht fiel das
ja in die Sparte Einzigartigsein ...
»Sie sehen so ernst aus«,
stellte er fest.
Elizabeth schrak zusammen. So ging
das nicht. Sie musste sich ganz auf diesen Gentleman konzentrieren. Stand in
dem Buch nicht etwas darüber, dass man Gentlemen seine ganze Aufmerksamkeit
schenken sollte? Natürlich musste das alles in den fünf Minuten geschehen,
ehe man die Unterhaltung beendete ...
»Fast so, als dächten Sie ein wenig
zu angestrengt nach.«
Elizabeth stöhnte innerlich. So viel
also zu ihrem Versuch, ihren Charme mühelos erscheinen zu lassen. Sie wusste
nicht genau, ob das in dieser Situation überhaupt erforderlich war, aber sie
war sich ziemlich sicher, dass man auch nicht den Eindruck machen sollte, als
befolgte man peinlich genau eine
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