Julia Quinn
erlebe.«
Susan wurde ernst. »Ist es wirklich
so schlimm?«
»Ja«, bestätigte ihre Schwester
mit einem Seufzen, das teils verzweifelt, teils aber auch gereizt klang. »Das
kann man wohl sagen. Von dem Geld, das Vater uns hinterlassen hat, ist so gut
wie nichts mehr da, und mein Gehalt von Lady Danbury reicht nicht annähernd für
unseren Unterhalt aus, jedenfalls nicht, wenn die nächste Pacht für unser
Häuschen fällig wird. Ich werde also heiraten müssen, aber der einzige
unverheiratete Mann hier im Umkreis ist außer Squire Nevins der neue Verwalter
von Lady Danbury. Abgesehen davon, dass er viel zu attraktiv und gefährlich
ist und mich überdies für verrückt hält, verdient er sicher nicht genug, um
ernsthaft in Betracht gezogen werden zu können.« Ihre Stimme war wieder
lauter geworden. »Und so frage ich dich, da du selbst schon bemerkt hast, dass
ich mit dem Schreiben von Romanen wohl kein Geld verdienen kann – was soll ich
deiner Meinung nach machen?« Sie verschränkte die Arme und war recht
stolz auf ihre Formulierung.
Susan sah sie etwas verständnislos
an. »Warum hält er dich für verrückt?«
»Das ist unerheblich«, stieß
Elizabeth hervor. »Wichtig ist nur, dass ich mich in einer absoluten Zwickmühle
befinde.«
»Und ich habe zufällig die Lösung
dafür«, meinte Susan tiefgründig lächelnd.
Elizabeth sah, wie Susan etwas
hinter ihrem Rücken hervorzog. Zorn stieg in ihr auf. »O nein, wage es nicht,
noch einmal mit diesem Buch anzukommen!«
Doch Susan hatte es bereits
aufgeschlagen. »Hör genau zu«, verlangte sie eifrig. »Edikt siebzehn
...«
»Sind wir schon bei siebzehn?«
»Sei still. Also, hier steht: ,Das
Leben ist nur eine Art Theaterprobe, bis man dem Mann begegnet, den man heiraten wird.'«
Stille.
»Elizabeth?«
»Du machst Witze, nicht wahr?«
Susan blickte auf das Buch und
wieder zu ihrer Schwester. »Nein! Ich ...«
»Gib her.« Elizabeth zog ihr
das Buch aus der Hand und begann zu lesen.
Das Leben ist nur eine Art
Theaterprobe, bis man dem Mann begegnet, den man heiraten wird. Daher müssen
Sie diese Edikte immer wieder erproben, an jedem Mann, dem Sie begegnen. Es
macht nichts, wenn Sie nicht vorhaben, einen ganz bestimmten Mann zu heiraten. Sie müssen bei jedem Mann stets so tun, als hätten Sie einen echten
Marquis vor sich. Denn wenn Sie meine Edikte nicht unentwegt befolgen, werden
Sie plötzlich nicht mehr wissen, wie Sie sich verhalten sollen, wenn Sie einen
ernsthaften Ehekandidaten kennen lernen. Feilen Sie an Ihren Fähigkeiten. Ihr
Marquis könnte schon hinter der nächsten Ecke warten.
»Ist sie denn völlig von Sinnen?« rief
Elizabeth aus. »Wir leben doch nicht im Märchen. Es gibt keine Marquis', die
hinter Ecken warten. Und ehrlich gesagt, ich finde das alles ziemlich
beleidigend.«
»Inwiefern?«
»Wenn man diese Frau so hört,
existiert man überhaupt nicht, solange man nicht einen Ehemann gefunden hat.
Das ist doch grotesk. Wenn ich so unbedeutend bin – was habe ich denn dann die
letzten fünf Jahre gemacht? Wie ist es mir da nur gelungen, die Familie
zusammenzuhalten? Sicherlich nicht, indem ich Däumchen drehend darauf gehofft
habe, bald von einem freundlichen Gentleman geheiratet zu werden!«
Susan öffnete überrascht den Mund.
»Ich glaube nicht, dass sie es so gemeint ...«
»Das weiß ich auch«, fiel
Elizabeth ihr ins Wort. Ein wenig schämte sie sich für die Heftigkeit ihres
Ausbruchs. »Es tut mir Leid. Ich wollte nicht ... Bitte vergiss, was ich gesagt
habe.«
»Ist alles in Ordnung?« fragte
Susan ruhig.
»Natürlich«, versicherte
Elizabeth und drehte sich um. Aus dem Fenster sah sie Lucas und Jane im Garten
spielen. Sie hatten irgendein Spiel erfunden, in dem ein blauer Stofffetzen, an
einen Stock geknotet, große Bedeutung zu haben schien. Die beiden tobten
ausgelassen damit herum. Sie schluckte. Stolz und Liebe drohten sie zu
überwältigen. Langsam strich sie sich durch das Haar. »Verzeih mir«, sagte sie zu Susan. »Ich
hätte dich nicht so anfahren dürfen.«
»Das macht doch nichts«,
versicherte Susan mitfühlend. »Du stehst in letzter Zeit ziemlich unter Druck.
Das weiß ich.«
»Ich mache mir eben nur so große
Sorgen.« Elizabeth rieb sich die Schläfen. Mit einem Mal fühlte sie sich
alt und müde. »Welchen Sinn hat es, an Mr. Siddons zu üben, wenn weit und breit
kein geeigneter Ehekandidat in Sicht ist?«
»Lady Danbury empfängt doch
Gäste«, munterte Susan sie auf. »Und du hast mir
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