Julia Quinn
war
wirklich unwahrscheinlich arrogant!
»Kommen Sie«, bat er. »Sicher
können Sie ein paar Minuten Ihrer Zeit opfern, um einem Neuankömmling zu
helfen, sich hier besser zurechtzufinden.«
»Also gut.« Elizabeth konnte
nicht ablehnen, nachdem er seinen Wunsch in eine Bitte um Hilfe umformuliert
hatte. »Ich gehe mit Ihnen spazieren. Aber ich gewähre Ihnen nur zehn Minuten.«
»Das ist sehr großzügig von
Ihnen«, murmelte er und nahm ihren Arm.
Elizabeth schluckte, als er sie
berührte. Da war es wieder, dieses eigenartige Gefühl der Atemlosigkeit, das
sie immer in seiner unmittelbaren Nähe verspürte. Und das Schlimmste dabei war,
dass er so kühl und gelassen wirkte wie immer.
»Wir könnten ja einen kleinen Rundgang
durch den Rosengarten machen«, schlug er vor.
Sie nickte nur, weil sie nicht
imstande war zu sprechen. Die Wärme, die von seiner Hand ausging, schien sich
über ihren ganzen Arm auszubreiten.
»Miss Hotchkiss?«
Irgendwie gelang es ihr, ihre
Sprache wieder zu finden. »Ja?«
»Ich hoffe, es ist Ihnen nicht
unangenehm, dass ich Sie angesprochen habe.«
»Nein, natürlich nicht«,
brachte sie mühsam heraus.
»Gut.« James lächelte. »Es war
nämlich nur so, dass ich nicht wusste, an wen ich mich sonst hätte wenden können.« Er warf ihr einen verstohlenen Seitenblick zu. Ihre Wangen waren
anmutig gerötet.
Schweigend schritten sie unter dem
steinernen Bogen hindurch in den Rosengarten.
James führte sie nach rechts, vorbei
an den herrlichen pinkfarbenen und gelben Scarlet Scotch Rosen, für die Danbury
House berühmt war. Er bückte sich, um an einer zu riechen. Dadurch gewann er
Zeit, sich zu überlegen, wie er weiter vorgehen sollte.
Er hatte die ganze Nacht und auch
noch den Morgen über an Miss Hotchkiss denken müssen. Sie war klug, und sie
führte eindeutig irgendetwas im Schilde. Er hatte oft genug geheime Komplotte
aufgedeckt, um zu wissen, wann sich jemand verdächtig benahm. Sein Instinkt
sagte ihm, dass sich Miss Hotchkiss am Vortag für sie untypisch verhalten
hatte.
Zuerst war es ihm seltsam
vorgekommen, dass sie die Erpresserin sein sollte. Schließlich konnte sie nicht
viel älter als zwanzig sein. Ganz sicher war sie jünger als Melissa, die auf
die Zweiunddreißig zuging. Also konnte sie gar nicht aus erster Hand über
Lady Danburys außereheliche Affäre Bescheid wissen.
Andererseits hatte sie von klein auf
in dieser Gegend gelebt, das hatte sie selbst gesagt. Vielleicht hatte sie
irgendetwas darüber im Vertrauen von ihren Eltern erfahren. Geheimnisse
sprachen sich in kleinen Gemeinden schnell herum. Ganz zu schweigen von der
Tatsache, dass Miss Hotchkiss überall in Danbury House ungehinderten Zugang
hatte. Wenn Tante Agatha aus Versehen irgendein sie belastendes Indiz hatte
herumliegen lassen, dann würde ihre Gesellschaftsdame wohl als Erste darauf
stoßen.
Wie er es auch drehte und wendete,
alles schien auf Miss Hotchkiss hinzuweisen. Aber wenn er die Wahrheit herausfinden wollte, dann musste er zuerst einmal ihr Vertrauen gewinnen. Oder
sie zumindest so weit aus der Reserve locken, dass sie sich irgendwann verriet.
Er hielt es für das Beste, sie um ihren Beistand zu bitten. Frauen wie sie
waren über alle Maßen höflich. Sie würde es ihm niemals verwehren, wenn er sie
bat, ihm zu helfen, sich mit der Umgebung vertraut zu machen. Selbst wenn sie
die Erpresserin und somit durch und durch selbstsüchtig war, so musste sie doch
den äußeren Anschein wahren. Miss Elizabeth Hotchkiss, die Gesellschaftsdame
der verwitweten Countess of Danbury, konnte es sich nicht leisten, anders
aufzutreten als liebenswürdig und anständig.
»Sie wissen ja, ich bin hier noch
ganz fremd«, fing er an.
Sie nickte langsam und betrachtete
ihn argwöhnisch.
»Und Sie haben mir gestern erzählt,
dass Sie Ihr Leben lang hier gewohnt haben.«
»Ja ...«
Er lächelte warm. »Ich brauche
tatsächlich eine Art Fremdenführer. Jemanden, der mir die Sehenswürdigkeiten
zeigt oder mir wenigstens etwas darüber sagen kann.«
Sie machte ein ratloses Gesicht.
»Sie wollen die Sehenswürdigkeiten sehen? Welche denn?«
Wie dumm. Das war eine berechtigte
Frage. Diese Gegend hier war wirklich nicht sonderlich gesegnet mit kulturellen
und historischen Attraktionen. »Nun, vielleicht ist Sehenswürdigkeiten' nicht
das richtige Wort«, improvisierte er. »Aber jedes Dorf hat so seine
kleinen Eigenheiten. Wenn ich das größte
Anwesen in dieser Gegend wirkungsvoll verwalten will, muss
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